Knatsch
Wie streitet man richtig in einer Beziehung?
In einer Partnerschaft leben zwei Menschen eng zusammen, die vielleicht grundsätzliche Werte und Ziele teilen, aber beide doch immer noch Individuen sind und bleiben.
Natürlich gibt es Streit zwischen diesen Individuen, je ausgeprägter Persönlichkeiten und Vitalität, desto eher und desto mehr. Oft schädlichen Streit, dabei wäre es so einfach, auch den Streit zum Vorteil der Beziehung zu nutzen.
Streit wirkt sich schädlich auf die Beziehung aus – sobald und je mehr einzelne wütende Äusserungen die Person/Persönlichkeit des Partners grundsätzlich angreifen.
Denn damit ist dann immer auch ein grundsätzlicher Angriff auf die Beziehung verbunden, der einer Partnerschaft auf Dauer schweren Schaden zufügen kann. Das möchte eigentlich niemand, und doch passiert es in fast jedem Streit, solange es am grundsätzlichen Bewusstsein für die Problematik fehlt.
Hier sind die fünf Spitzenreiter der Kommunikation-Desaster, die aus jeder Beziehung verbannt werden sollten:
1. Der generalisierte Vorwurf
Dem Partner werden bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften generell abgesprochen oder es wird deren generelles Fehlen bemängelt: "Immer verursachst Du Chaos (in der Schublade, der Küche, der gesamten Lebensführung), "Du bist unfähig, Ordnung zu halten, (bestimmte Dinge/Orte) länger als 10 min sauber zu halten".
Im schlimmsten Fall werden tatsächlich vorhandene Eigenschaften zum Generalvorwurf erhoben; "Wer so faul ist, sollte beim Thema Training seinen Mund halten" oder dem Partner Defizite zum Vorwurf gemacht, angebliche bis dem anderen bekannt unangenehme: "Du bist zu naiv, um das beurteilen zu können".
Am besten noch mit unlogischer Verknüpfung garniert: "Wenn Du schon den Konflikt mit dem Nachbarn nicht auf die Reihe kriegst, wirst du Dich nie gegen Deinen Chef durchsetzen können".
2. Rechtfertigung, Ausflüchte, Schuldvorwürfe, Gegenvorwürfe statt Antwort auf Kritik/Ärger des Partners
Wenn Kritik und Ärger wie gerade geschildert formuliert werden, lädt das zu ebenso unsachlichen Reaktionen ein – und schon ist die Kaskade von Angriff und Gegenangriff in Gang gesetzt; ein Teufelskreis, der in schlechten Krimis ganz schnell mit einem Mord endet ...
3. Verächtliche Bemerkungen
Böse Falle: Im Eifer des Gefechts kann jede Normabweichung des Partners zur Konstruktion herabsetzender Bemerkungen genutzt werden, am besten wieder mit einem Generalvorwurf verbunden: "Schon klar: Krause Haare bringen auch krause Gedanken hervor", "Wer noch nicht mal die Sekundarschule geschafft hat, kann eben keinen brauchbaren Einkaufszettel schreiben." Nach dem Gefecht bleibt nur die zum Ausdruck gekommene Verachtung ...
4. Negative Gedanken lesen
"Du willst doch gar nicht wirklich etwas beitragen" (sondern mich nur ausnutzen), "Du denkst wohl, ich bekommene nie etwas mit" (weil Du mich für einfältig hältst); kann Punkt 1 bis 3 "bestens" begleiten.
5. Totalblockade
Einer der Partner verweigert plötzlich und wortlos das Gespräch: Er hält sich die Ohren zu, macht etwas anderes oder flüchtet aus dem Raum. Das ist in Bezug auf den partnerschaftlichen Zusammenhalt ein maximales Versagen: Er verlässt die Beziehung, statt sich in einer kritischen Situation als Partner zu erweisen.
Es gibt mehr ineffektive oder ungünstige Kommunikationsstrategien, aber nachhaltiger als mit den gerade genannten kann man seine Partnerschaft kaum durchlöchern ... Wenn streitmüde Partner diesen Fallen entgehen möchten, gibt es jedoch eine Alternative:
"Sachlich bleiben", lautet das Geheimnis des guten Streitgesprächs
Theoretisch ist jedem Streitenden klar, dass der "Streit bis aufs Messer" in den vor-zivilisatorischen Bereich gehört und dass die Verletzung des Partners Spuren hinterlässt, die nur schwer zu tilgen sind.
Laut der "Formel" des US-Paarpsychologen John Gottman braucht es fünf positive Partner-Erfahrungen, um eine einzige negative Interaktion, Verletzung, Kränkung zu kompensieren ...
Theoretisch ist auch jedem Streitenden bewusst, wie ineffektiv es ist, einen Partner zutiefst zu verärgern, bei dem man doch gerade eigene Wünsche oder Bedürfnisse durchsetzen möchte; und dass es zielführender wäre, anstehende Probleme und Differenzen im ruhigen, sachlichen Gespräch zu lösen oder aufzulösen.
Praktisch ist das sachliche Streitgespräch sehr viel schwerer umzusetzen, vor allem wenn in einer länger bestehenden Partnerschaft gründlich das Gegenteil eingeübt wurde.
Aber es kann gelingen, wenn beide Partner einen Schnitt machen und "zivilisierte Streitkultur" zum gemeinsamen Zukunftsprojekt machen. Der Weg zum vernünftigen, konstruktiven Streitgespräch führt dann über mehrere Stufen:
1. Beide Partner fassen den Beschluss, ihre Streitkultur zu ändern.
2. Jeder der Partner macht sich seine unguten Kommunikationsstrategien bewusst.
3. Beide Partner sollten sich klarmachen, dass sie keinerlei Recht haben, den jeweils anderen zu erziehen – der ist schon erwachsen und darf unordentlich, naiv, unkonzentriert und ängstlich sein.
4. Falls - wie oft – gegenseitige Rechte eingeräumt wurden, in bestimmten Punkten an der Änderung des Partners mitzuwirken, ist das niemals eine Generalvollmacht, schon gar nicht zu Unfreundlichkeiten.
5. Jeder der Partner sollte dann darüber nachdenken, was ihn eigentlich genau auf die Palme bringt und warum das so ist.
6. Beide Partner sollten solche Ärgernisse möglichst früh, möglichst genau und möglichst sachlich ansprechen: "Du hast die Küchenarbeitsplatte voller Krümel hinterlassen, nachdem Du dir ein Brot geschmiert hast. Das stört mich sehr, ich hasse Krümel."
7. Dann ist zu klären, ob der Konflikt wirklich erfasst wurde und ob klar vereinbart ist, dass die Beseitigung des Ärgernisses in der Verantwortung des Angesprochenen liegt: "Es fällt mir schwer, Deinen Ärger nachzuvollziehen, weil ich Krümel nicht so wahrnehme und ich auch davon ausgegangen bin, dass Du als Koch der Familie für Sauberkeit der Küche zuständig bist." "Ist richtig, aber für mich gehört nicht zu diesem Job, auch die Hinterlassenschaften Deiner Küchennutzung zu beseitigen." "Ach so ..."
8. Danach sollte ein Vorgehen besprochen und vereinbart werden, das effektiv und zur beiderseitigen Zufriedenheit für Abhilfe sorgt. Im Beispiel: A bemüht sich und B drückt im Zweifel beide Augen zu. Oder: B übernimmt die Beseitigung der Krümelage, hat aber dafür jeweils ein geputztes Fenster, eine Nackenmassage oder ein anderes "Leckerli" gut. Es gibt viele kreative Lösungen, bis hin zur exklusiven Krümelfläche für A ...
9. Einige unausrottbare Differenzen werden bleiben. Wenn diese immer wieder das Nervenkostüm des Partners belasten, hilft eine "Lizenz zu gelegentlichem Ausflippen" (das dann oft wirklich humorvolle Formen entwickelt).
10. Je freundlicher der Ton, in dem die jeweiligen Verhandlungen geführt werden, desto unwichtiger wird das Streitthema ...
Zwei Menschen, die in "vernünftigem" Alter eine neue Beziehung eingehen, haben es leichter als die schon länger desaströs streitenden Paare: Sie können ihre Streitkultur gleich von vornherein oder zumindest in einem frühen Stadium der Beziehung vor dem Abgleiten in dunkle Tiefen bewahren.
Streitkultur in der Partnerschaft ändern: Übung macht den Meister und Erfolg belohnt sofort
Wie gesagt, schlechte Kommunikation ist häufig - nicht nur im Streit, achten Sie einmal darauf, wie viele der Gespräche in ihrem Umfeld in Wirklichkeit "Dialoge mit Wechsel-Ton" sind.
Um so mehr Grund, es im engsten Umfeld besser zu machen und auch über Streitthemen wirklich zu kommunizieren. Oder gerade über Streitthemen, denn wo wäre gute Kommunikation mehr gefragt als bei der Debatte über Differenzen mit dem wichtigsten Menschen im Leben?
Das wird bei eingefahrenen Streitgewohnheiten sicher nicht sofort klappen, aber jeder der gerade angeführten zehn Punkte bringt grundsätzlich willige Paare schon alleine ein Stück weiter.
Wenn es mal stockt, können Codeworte wie "Fred Feuerstein (schaut schon um die Ecke)" die Situation oft in erleichterndes Lachen auflösen; auch eine (mit Worten) eingeleitete Unterbrechung bzw.
Vertagung des Streitgesprächs kann vor allem am Anfang sinnvoll sein. Bei ernsthaften "Durststrecken" ist jede Hilfe erlaubt und sinnvoll, von Aufnahme des Streitgesprächs mit einem Diktiergerät bis hin zum unbeteiligten, freundlichen Mediator.
Der Weg mag mitunter steinig sein, aber er bestärkt sich mit jeder friedlichen, freundlich geführten Debatte selbst.
Ausserdem: Es geht um nicht mehr und nicht weniger als den Fortbestand Ihrer Partnerschaft – nicht der Streit oder seine (oft beide Partner nicht sehr befriedigenden) Ergebnisse sichern die Zukunft der Beziehung, sondern es kommt vor allem auf die Art und Weise an, wie der Streit ausgetragen wird.
Lässige Streitkultur, mit einem kräftigen Schuss Humor gewürzt, nimmt dem Streit jeden Schrecken.