Kurzsichtigkeit: Wie sehen wir 2050?

Laut einer Studie wird die Hälfte der Menschen bis 2050 kurzsichtig sein. Sind Computer, Smartphones, Tablets schuld?
Kurzsichtigkeit wird wegen Smartphones massiv zunehmen
Kurzsichtigkeit wird wegen Smartphones massiv zunehmen (Bild: Charles on Unsplash)

Auffällig ist, dass vor allem Menschen aus reichen Industriestaaten vermehrt kurzsichtig sind.  Arbeit am Bildschirm und Tageslichtmangel sind eine gefährliche Mischung für unsere Augen.

In 50 Prozent der Fälle sind unsere Gene der entscheidende Faktor bei der Entwicklung einer Kurzsichtigkeit (Myopie). Doch aufgrund unseres digitalen Lebensstils, der täglichen Naharbeit an Bildschirmen und dem Mangel an Tageslicht ist die Wahrscheinlichkeit, kurzsichtig zu werden, enorm gestiegen.

Weltweit steigt die Zahl der Kurzsichtigen weiter, wobei besonders die Digital Natives betroffen sind. Da der erste Kontakt mit digitalen Endgeräten immer früher stattfindet, leiden mehr Kinder an einer Kurzsichtigkeit als je zuvor, und die Auswirkungen der Erkrankung halten in der Regel ein Leben lang an.

Technologie kann zum Schutz unserer Augen beitragen.

Der digitale Wandel ist nicht nur die Ursache des Problems, sondern bietet auch Lösungen. Immer wieder entstehen neue Technologien, die uns beim Schutz unserer Augen und bei der Bekämpfung von Kurzsichtigkeit helfen können.

1. Unser digitaler Lebensstil

Heute ist die Digitalisierung kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken – mit Telefon, Tablet und Co. hat sich eine „Always Online“-Mentalität entwickelt. Das gilt sowohl für den privaten Bereich als auch für unseren Arbeitsplatz. So steigt auch unaufhörlich die Zeit, die wir vor Bildschirmen verbringen.

Die Schweizer sind ein internetaffines Volk. Über 90 Prozent sind regelmässig online. In der Altersklasse 14–39 sind es sogar teilweise über 99 Prozent. So verbringen zum Beispiel Jugendliche in der Schweiz unter der Woche im Durchschnitt 4,4 Stunden pro Tag vor einem Bildschirm und am Wochenende sogar 7,4 Stunden.

Im Durchschnitt sind die Schweizer bis zu 10 Stunden pro Woche online. Damit liegt die Schweiz über dem europäischen Durchschnitt.

Besonders Smartphones spielen bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle. Neueste Zahlen zeigen, wie digital unser Leben tatsächlich geworden ist: Social Media anstatt persönlicher Kommunikation und digitale Zeitungen prägen den Alltag vieler Schweizer.

Social Media: Von den 8,4 Millionen Einwohnern in der Schweiz nutzen 4,6 Millionen (55 Prozent) Social Media. Dabei platzieren sich Facebook mit 3,8 Millionen und YouTube mit 5,5 Millionen aktiven Nutzern unter den Top 3. Instagram liegt mit 2,5 Millionen leicht dahinter, konnte aber seit 2017 schon einen Zuwachs von über 38 Prozent verzeichnen.

Tageszeitungen: Seit der Verbreitung der ersten digitalen Zeitungen sinkt die Nachfrage nach traditionellen Zeitungen konstant. Während 2014 noch 629 Millionen Zeitungen in der Schweiz verbreitet wurden, sind es 2018 nur noch 535 Millionen. Eine Abnahme von 15 Prozent. Im Vergleich dazu stieg die Anzahl an digitalen Auflagen um 260 Prozent von 10 auf 36 Millionen.

Gleichzeitig nimmt auch die Zahl kurzsichtiger Menschen dramatisch zu, insbesondere innerhalb der Generation der Digital Natives. Daher forschen Wissenschaftler nach einem Zusammenhang zwischen unserem digitalen Lebensstil und dem Anstieg der Myopie.

2. Wie beeinflusst die Digitalisierung unsere Sehkraft?

Was ist Kurzsichtigkeit (Myopie) überhaupt? Ein Mensch, der an Kurzsichtigkeit leidet, hat Probleme damit, Dinge in der Ferne klar zu sehen. Das liegt daran, dass der Brennpunkt, an dem die einfallenden Lichtstrahlen zu einem Bild zusammengefügt werden, sich nicht auf der Netzhaut, sondern vor ihr befindet.

Wahrgenommene Objekte werden daher nur als unscharfes Bild verarbeitet, während Dinge in der Nähe klar zu sehen sind.

Dr. med. Oliver Leick, Facharzt für Augenheilkunde, fasst die drei Haupteinflüsse zusammen:
„Der genetische Faktor ist deutlich am grössten, gefolgt von der Naharbeit, die aufgrund ihrer Zunahme eine immer grössere Rolle spielt. Dann kommt noch der Tageslichtmangel hinzu.“

Auch wenn wir von Natur aus leicht weitsichtig zur Welt kommen, passt sich das menschliche Auge stets an die bestehenden Arbeitsbedingungen an. Heute zeigen Studien, dass Kurzsichtigkeit mit dem Anstieg der Naharbeit, die von Menschen aus allen Lebensbereichen erwartet wird, in Zusammenhang steht.

Laut Studien des Brien Holden Vision Institutes und des Eye Research Institutes in Singapur, die sich näher mit den negativen Einflüssen von künstlicher Beleuchtung im Arbeitsumfeld beschäftigen, sind Menschen mit Bürojobs einer Doppelbelastung ausgesetzt.

So wirkt die Naharbeit am Bildschirm in Kombination mit dem künstlichen Licht anstrengend auf unsere Augen, was die Anfälligkeit für eine Kurzsichtigkeit erhöht.

Konzentriertes, langfristiges Betrachten des Bildschirms fördert zudem auch Müdigkeitserscheinungen und führt zu einer zunehmenden Austrocknung der Augen, da man während der Naharbeit am Bildschirm deutlich weniger blinzelt.

So blinzelt man im Normalzustand ungefähr 10–15 Mal pro Minute, aber während der Arbeit am Bildschirm nur ein- bis zweimal. Schlechte Bürolüftung und Klimatisierung beschleunigen diesen Prozess zusätzlich.

3. Wer ist von Kurzsichtigkeit betroffen?

In Europa sind besonders Digital Natives von Kurzsichtigkeit betroffen. Fast die Hälfte aller Menschen der Altersklasse 25 bis 29 sind kurzsichtig. Die zweitgrösste Gruppe besteht aus den 35- bis 44-Jährigen.

In den älteren Generationen ist der Prozentanteil der kurzsichtigen Menschen viel geringer. Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass das sowohl an den längeren Bildungswegen der jüngeren Generationen als auch an der vermehrten Naharbeit am Bildschirm liegt, die die Wahrscheinlichkeit, eine Myopie zu entwickeln, stark fördern.

Die Ausbildung steht im direkten Zusammenhang mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, kurzsichtig zu werden.

Mehrere Kohortenstudien, wie z.B. die Gutenberg-Gesundheitsstudie zeigen: Das Ausmass der Myopie hängt direkt mit der schulischen und beruflichen Ausbildung zusammen. So sind über die Hälfte (53 Prozent) der Universitätsabsolventen kurzsichtig, während zum Vergleich nur knapp ein Viertel (24 Prozent) der Menschen ohne Lehre oder Hochschulbildung eine Brille tragen.

Da sich die Augen des Menschen bis zum 30. Lebensjahr entwickeln und die Entwicklung einer Myopie meist schon im Grundschulalter beginnt, ist der frühe Erstkontakt und die exzessive Nutzung von digitalen Geräten bedenklich. Jedoch erhöhen nicht nur die Arbeit an PC oder Tablet die Wahrscheinlichkeit, eine Myopie zu entwickeln, sondern auch die Arbeit mit Büchern.

Die steigende Kurzsichtigkeit ist keine regionale Entwicklung, sie ist ein globaler Trend. Besonders im ostasiatischen Raum hat der Anteil kurzsichtiger Schulkinder stark zugenommen. Vor kurzem zeigte eine Studie aus China, dass bereits 90 Prozent der dortigen Studenten kurzsichtig sind. Ähnlich ist es in Südkorea, Singapur und Taiwan.

4. Ein Ausblick in die Zukunft: Wie werden wir 2050 sehen?

Digital Natives und Menschen, die häufig vor dem Bildschirm arbeiten, werden in Zukunft immer mehr mit Augenproblemen zu kämpfen haben. Die Tatsache, dass wir digitalen Geräten früher und intensiver ausgesetzt sind, ist ein weiterer nachteiliger Faktor, der hier berücksichtigt werden muss.

Voraussichtlich wird 2050 jeder zweite Mensch kurzsichtig sein. Das wird knapp 5 Milliarden Menschen betreffen.

Um unsere Augen vor der dauerhaften Belastung zu schützen, ist es notwendig, proaktiv für unsere Gesundheit vorzusorgen und diese Schritte auch ernst zu nehmen. Einen Anfang macht die Blaulicht-reduzierende Brille, die mittlerweile schon in grosser Vielfalt auf dem Markt vertreten ist.

Optisch unterscheidet sich diese nur minimal von einer normalen Brille. Sie kann jedoch das gefährliche kurzwellige, blau-violette Licht abhalten, das in einer Wellenlänge oberhalb von 400 Nanometern durch die hohe Energie sehr belastend für unsere Augen ist.

Der technologische Fortschritt bietet aber auch neue Möglichkeiten, unsere Augen zu schützen und Krankheiten früher zu erkennen.

In Zukunft werden regelmässige Überprüfungen unserer Augen immer wichtiger, um Defizite frühzeitig zu erkennen. Damit jeder dazu befähigt ist, wird momentan an der Einführung eines Online-Sehtests gearbeitet. So können die Symptome früher behandelt und damit Verschlechterungen zeitig identifiziert werden.

Eine digitale Langzeitlösung ist noch nicht in Sicht. Dennoch suchen Forscher im Bereich der Diagnostik stetig nach neuen Möglichkeiten, den Alltag und das Sehen in Zukunft zu erleichtern und zu verbessern.

Die spannendste Zukunftsinnovation ist momentan wohl der Netzhaut-Scan-Algorithmus, der automatisch nach Auffälligkeiten und Abweichungen in unseren Augen sucht und so Krankheiten schnell und effektiv erkennen kann.

5. Wie können wir unsere Augen schützen?

Myopie ist ein unauffälliger Prozess, der oft lange unbemerkt bleibt. Zwar sind häufige Kopfschmerzen, Ermüdung und Gereiztheit der Augen richtungsweisende Merkmale, jedoch nimmt unser Körper diese nicht immer als Alarmzeichen wahr. Das liegt an den fehlenden Schmerzfasern der Netzhaut.

Sie kann bei einer Überlastung keine Warnsignale an das Gehirn senden. Daher ist es wichtig, seine Sehkraft regelmässig prüfen zu lassen. Insbesondere, wenn man viel Zeit mit Naharbeit verbringt.

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