Weshalb Orkane nach Mädchen benannt sind

Eigentlich war Emma schon immer da. Ich arbeitete mit Mami Nina zusammen, als sie mit ihr schwanger wurde und freute mich über den Kindersegen.
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Enkelinnen sind manchmal Naturgewalten (Foto: Shashank Sahay on Unsplash)

Mit grossen Worten und wenig Emotionen. Dann kam Emma zur Welt, Nina machte Mutterschaftspause, wir begannen, uns privat zu sehen. Und jedes Mal war Emma mit dabei. Sie wuchs zu einem wachen, klugen Kind heran - mit himmelblauen Augen, blonden Haaren und einem Temperament, das erklärbar macht, weshalb manche Orkane Mädchennamen tragen.

Obwohl ich die Kleine selten sah, wuchs zwischen uns etwas, das ich nicht in Worte fassen kann - und will. Denn manche Gefühle sind derart privat, dass man sie am besten für sich behält, weil sie sonst ihren Zauber verlieren oder gar wie Seifenblasen zerplatzen.

Sagen wir es so: Emma verguckte sich in mich und ich mich in sie. Umso unverständlicher war es für mich, als sich ihre Gotte nach anfänglicher Euphorie alsbald verabschiedete und sich nicht länger um das Mädchen kümmerte.

Opas und Omas waren auch keine da - sie waren entweder krank, weit weg oder tot. Das zerriss mir das Herz. Zwar war die Kleine Teil eines munteren Patchworkverbunds, sie hat neben Papa und Mama zwei Halbbrüder samt deren Eltern.

Nur, dachte ich mir: Sie hat keinen, der sie vorbehaltlos anhimmelt. Einer, der über all ihre Macken hinwegsieht und sie auch dann in die Arme schliesst, wenn sie bockt und/oder schlechte Laune hat. Keinen, bei der sie später einmal unbekümmert ihr Herz ausschütten oder gegebenenfalls über ihre Eltern klagen kann.

Einer, der voll und ganz auf ihrer Seite steht, weil er weder gerecht noch pädagogisch korrekt sein muss. Einen gütigen Grossvater halt. Ausgerechnet Emma sollte dieser Joker der Liebe verwehrt bleiben? Das durfte nicht sein.

Also fasste ich mir ein Herz und fragte Nina an, ob ich Emmas Occasions-Grossvater sein dürfe - und ich durfte. Das ist mittlerweile vier Jahre her, die Anfänge sind längst vergessen, und Emma ist fester Teil unserer Familie. Wenn man so will, ist sie meine Enkelin des Herzens.

Ich mache zwischen ihr und Nora, Yara und Béla keinerlei Unterschiede - jenen Enkeln also, die mit meinem Partner Thomas genetisch verbandelt sind. Die Kleinen halten es übrigens genauso. Ihnen sind biologische Wurzeln schnurzegal, weil in unserer Familie ja sowieso einiges kreuz und quer geregelt ist.

Entsprechend gehört Emma selbstverständlich mit dazu - und auch sie stellt sich mit den drei anderen in die gleiche Reihe. Sie haben sicherlich schon vom Konzept des Leihopas oder der Leihoma gehört. Seit längerem bemühen sich gute Menschen oder Kleinunternehmen, Alt und Jung zusammenzubringen, manche knüpfen sogar monetäre Interessen daran.

So rühmenswert entsprechende Bemühungen sind, Menschen über 50 mit Menschen unter 5 auf Websites oder mit spezifizierten Apps bekannt zu machen: Manchmal genügt es, seine Augen und sein Herz zu öffnen. Und schon findet man sein (Familien-)Glück in unmittelbarer Nähe. Der Lohn dafür ist riesig.

Danke, Emma!

"Alter schützt vor Liebe nicht - aber Liebe vor dem Alter", sagte einst Coco Chanel. Roland Grüter (57), zählt die Liebe zu seinen vier Enkeln mit dazu. Er ist freischaffender Journalist, Mitinhaber der Content-Agentur Chefredaktion GmbH mit Sitz in Zürich und lebt mit seinem Partner in einer wilden Patchworkfamile. Seine Opa-Kolumne erscheint zweimal monatlich.


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