REISEN
Wer Singles im Liebesleben begleitet
"Fantasie ist das Vitamin der Erotik. Wenn man sie zulässt. Wie das gehen kann, ist Thema des vierten Moduls." Sprachlich verquast wirbt ein Veranstalter dieser Tage unter dem Reisemotto "Relight my Fire" für sinnliche Tage am Gardasee.
Als in den 90er-Jahren in Amerika die ersten Kreuzfahrten nur für Schwule veranstaltet wurden, war die Werbung ähnlich verdruckst: "Kreuzfahrten für Gleichgesinnte" wurden sie damals genannt. Das hat sich geändert, heute wird von PR-Seite selbstbewusst verlautbart, dass etwa die "Eurodam", ein Kreuzfahrtschiff der Holland America Line, "die Gay-Szenen in der Karibik erkundet" oder dass die "Carnival Freedom" zum "grössten FKK-Schiff der Welt" wird, wenn "3000 Nudisten die Hüllen fallen lassen".
Programme für "Zielgruppen mit besonderen sexuellen Vorlieben" aufzulegen ist mittlerweile ein normales Geschäft geworden. Neben Schwulen oder Nudisten gehören auch kinderlose Paare zu den Zielgruppen, deren Bedürfnisse sich zuweilen von denen der Masse abheben.
Dennoch scheuen einige Veranstalter, wie eingangs zitiert, klare Worte; man glaubt, sich seriöser, gesitteter geben zu müssen. Und gebildeter, indem etwa Sexualtherapeuten die Reise begleiten, die die "Paare bei der Wiederbelebung ihrer Beziehung" unterstützen.
Weiter heisst es: "In lockerer Atmosphäre werden Ihnen subtil und aktiv Denkanstösse und sympathische Werkzeuge angeboten." So kann man das freilich auch sagen, will man das Wort "Sex" vermeiden. Dabei dürfte sich der Zweck der Reise kaum vom munteren Treiben auf besagten Spezial-Kreuzfahrten unterscheiden.
An welche Altersgruppe sich das Angebot richtet, erfährt man ebenfalls nur eher beiläufig aus dem Satz: "Die Kinder sind aus dem Haus, die Kredite so gut wie bezahlt und die beruflichen Ziele nahezu erreicht". Woraus sich schlussfolgern lässt, dass Best Ager angesprochen sind.
Das Marktforschungsagentur Rheingold Salon hat sich mit der Frage beschäftigt, wie Werber (und dazu gehören freilich auch Reiseveranstalter) das Thema Sex im Alter sprachlich behandeln, und kommt zu dem vernichtenden Ergebnis: "Die Gesellschaft scheint den Bruch ab 50 zu wollen. Der heimliche und eigentliche Sinn der Neutralisierung ist dabei die Tabuisierung von Erotik im Alter. Frei nach dem Motto: Eltern oder gar Grosseltern haben keinen Sex, möchten wir das Alter enterotisieren", sagt Ines Imdahl, Psychologin und Agenturinhaberin.
www.welt.de
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