So drehen Deutschlands junge Alte auf

Neue Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Erwerbstätigkeit bei Senioren steigt und sich viele bei der Pflege aufopfern.
arbeitende Senioren, Pensionierung, Rente
65plus sind arbeitssamer denn je (Bild: Fotolia)

Kaum ein Land der Welt altert so schnell und stark wie Deutschland. Doch das allgemeine Wohlstandsniveau wird dadurch bislang kaum beeinträchtigt, und im Alltag fällt es schwer, grössere Kollateralschäden des demografischen Wandels zu erkennen.

Dies kann auch daran liegen, dass die heutigen Rentner sich den geänderten Bedingungen weit flexibler anpassen als zunächst gedacht. Sie arbeiten länger, stellen sich der digitalen Revolution und kümmern sich um ihre Angehörigen, statt die Verantwortung auf andere abzuschieben.

Das Ausmass dieser Veränderungsprozesse beleuchtet der Datenreport Generation 65plus, in dem das Statistische Bundesamt die in verschiedenen Erhebungen gesammelten Fakten zu den Senioren zusammengetragen hat. Nachfolgend die wichtigsten Erkenntnisse, zu denen allerdings auch bedrohliche Entwicklungen gehören.

In den vergangenen zehn Jahren ist die Erwerbstätigkeit älterer Menschen deutlich gestiegen. Gingen 2005 nur sechs Prozent der 65- bis 69-Jährigen einer regelmässigen Arbeit nach, so waren es 2014 bereits 14 Prozent. Damit liegt Deutschland über dem EU-Durchschnitt von 11,5 Prozent.

Ein Zuwachs gab es in Deutschland auch bei denjenigen Erwerbstätigen, die kurz vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter standen. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der 60- bis 64-Jährigen waren 2014 erwerbstätig, während dieser Anteil 2005 nur bei 28 Prozent lag. Ob diese Anstiege in materieller Not oder einem Mentalitätswandel begründet sind, lässt sich den Daten nicht entnehmen. Allerdings können die materiellen Sorgen der Älteren nicht besonders hoch sein.

Denn die statistische Armutsgefährdung ist bei den Senioren etwas geringer als in der Gesamtbevölkerung. Lag 2013 der Anteil der Armutsgefährdeten unter allen Deutschen bei 16,1 Prozent, so betrug er in der Generation 65 plus nur 14,9 Prozent. Allerdings bezogen 2013 fast 500.000 Personen über 65 Jahren die staatlicheGrundsicherung im Alter, weil die eigenen Einkünfte nicht reichten.

Das waren fast doppelt so viele wie 2003. Als Radfahrer und Fussgänger werden ältere Menschen in weit überschnittlichem Ausmass zu unschuldigen Opfern. Während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung 21 Prozent beträgt, waren 2014 nicht weniger als 48 Prozent der auf deutschen Strassen getöteten Fussgänger älter als 65 Jahre. Bei den Radfahrern waren es sogar 57 Prozent.

Zwar ist dabei zu berücksichtigen, dass Senioren wegen ihres schlechteren Allgemeinzustands öfter an schweren Verletzungen versterben als Jüngere. Aber man kann nicht sagen, dass die hohen Opferzahlen bei den Älteren auf deren Fehlverhalten beruhen. Nur 16 Prozent der in Unfälle verwickelten Fussgänger über 65 hatten die Unfälle selbst verschuldet; bei den Radfahrern waren es 43 Prozent, also immer noch weniger als die Hälfte.

Anders ist es beim Autofahren. Dass 26 Prozent der getöteten Pkw-Insassen älter als 65 Jahre waren, entspricht ungefähr dem Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung. Und wenn Senioren selbst das Auto steuerten und in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt waren, dann trugen sie zu 67 Prozent die Schuld; bei den über 75-Jährigen waren es sogar 75 Prozent.

Damit ist die Schuldigenquote der älteren Autofahrer bei Pkw-Unfällen mit Personenschäden höher als im Bevölkerungsdurchschnitt. Biologisch stehen Frauen zwar auf der demografischen Gewinnerseite: Sie leben länger. In den Jahren 2010 und 2011 hatten 65-jährige Männer ein statistische Rest-Lebenserwartung von gut 17 Jahren, aber gleichaltrigen Frauen standen noch fast 21 Jahre bevor.

Doch sozial verlieren dadurch die Frauen. Denn sie bleiben nach dem Tod ihres Ehemanns allein zurück. Verschärfend kommt dabei hinzu, dass Frauen meist ältere Männer heiraten und diese dann entsprechend lange überleben. So kommt es im Alter zur Vereinsamung. Bei den 70- bis 74-Jährigen leben 35 Prozent der Frauen allein, aber nur 17 Prozent der Männer.

Mit zunehmendem Alter wird das Missverhältnis immer krasser. 60 Prozent der Frauen zwischen 80 und 84 Jahren sowie 74 Prozent der Seniorinnen über 85 leben allein. Aber bei den Männer sind es nur 23 beziehungsweise 34 Prozent. Bei der Computernutzung holen die Älteren auf. Mittlerweile verfügen 68,7 Prozent der Haushalte mit einer Haupterwerbsperson über 65 Jahren über einen PC, während es bei den Haushalten der 18- bis 64-Jährigen 93,5 Prozent sind.

Allerdings nutzen Ältere öfter stationäre als mobile Geräte (47 gegenüber 43 Prozent), während es bei den Jüngeren umgekehrt ist. Ein Grund dürfte dabei das zögerlichere Konsumverhalten älterer Menschen gegenüber technischen Innovationen sein.

Hinzu kommt, dass Senioren bei der Internetnutzung eher auf konventionelle Tätigkeiten setzen, die man gut am stationären PC erledigen kann. Meist mailen sie, informieren sich über Produkte oder studieren Nachrichtenportale. Beim Lesen liegen sie weit vorn.

Fast sieben Stunden pro Woche verbringen sie mit Büchern (bei den 45- bis 64-Jährigen sind es nur knapp vier Stunden), und ausgiebig sehen sie fern: 18,5 Stunden pro Woche gegenüber 14,5 Stunden bei den 45- bis 64-Jährigen. Hoch aktiv sind Senioren als Gasthörer an Universitäten, Kursbesucher der Volkshochschulen - und als Wähler.

Denn bei der Bundestagswahl 2013 lag ihre Wahlbeteiligung mit 75 Prozent über dem Durchschnitt von 71 Prozent. Da sie damals 34 Prozent aller Wahlberechtigten stellten, nahmen sie erheblichen Einfluss aufs Endergebnis. Solcherart sich zu beteiligen fällt ihnen auch nicht schwer.

2013 klagten bei den Befragungen für den Mikrozensus nur 24 Prozent der Senioren über gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sie an ihren gewohnten Tätigkeiten hinderten. Drei Viertel also fühlten sich so weit fit. Doch für 2,2 Millionen Senioren gilt das nicht. So viele nämlich waren zum Jahresende 2013 pflegebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuchs.

Nur ein Drittel dieser Menschen lebte in einem Pflegeheim. Alle anderen wurden zu Hause versorgt. Bei dieser häuslichen Pflege fällt auf, in welch grossem Ausmass die Arbeit auf den Schultern der Angehörigen ruht. Nur 25 Prozent aller deutschen Pflegebedürftigen erhielten in den eigenen vier Wänden Leistungen durch ambulante Dienste.

Hingegen wurden 42 Prozent der Bedürftigen einzig und allein durch zu Hause tätige Angehörige versorgt. Wobei man aus anderen Statistiken weiss, dass diese Angehörigen in aller Regel weiblich sind.


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