Rekindling – Warum „aufgewärmte Beziehungen“ im Trend sind

„Wir waren ja schon einmal glücklich miteinander gewesen, da machte es Sinn, es noch mal zu wagen“, sagt Daniela (48). Die Kölner Kauffrau ist seit sechs Jahren wieder mit ihrer Jugendliebe Marcel (50) zusammen. „30 Jahre Liebespause waren bei uns kein Problem“, erzählt sie lachend und ist sich sicher: „Unser Glück ist jetzt für immer.“
Rekindling – Warum „aufgewärmte Beziehungen“ im Trend sind
Daniela und Marcel (Bild Andrea Micus)

Aufgewärmte Beziehungen wie die von Daniela und Marcel sind im Trend, denn dank Facebook, Instagram und Co. ist es kinderleicht, das Glück aus der Vergangenheit wieder ausfindig zu machen. Daraus hat sich in den letzten Jahren rund um den Globus ein neuer Trend bei der Partnersuche entwickelt, das sogenannte „rekindling“ übersetzt „aufwärmen“. Laut einer amerikanischen Studie sind über 70% der neu eingegangenen Beziehungen auch dauerhaft.

Also ein neues Massenphänomen bei der Partnersuche? „Ja“, sagt die Journalistin Andrea Micus, die seit Jahren an dem Thema Partnersuche arbeitet und zahlreiche Bücher dazu geschrieben hat. „In der Lebensmitte sucht man nach einer Trennung Sicherheit und erinnert sich gern an früher. Man hat das Bedürfnis, sich auf eine bereits vertraute Person einzulassen, eine, von der keine Gefahr ausgeht, denn davon hatte man genug.“

Der Psychologe Uwe Bohlmann bestätigt das. „Viele Menschen sind heute nicht nur einsam, sondern auch enttäuscht von den bisherigen Beziehungen und dann liegt es nahe, auf das Bewährte zurückzugreifen. Besonders, wenn man sich verletzt und unsicher fühlt, wie zum Beispiel nach einer Scheidung oder dem Tod des Partners.“

Dazu kommt ein ganz besonderer Zauber. „Die ersten frühen Liebes-Erfahrungen mit diesem noch neuen und besonders aufregenden Gefühl prägen intensiv und lösen ganz spezielle emotionale Erinnerungen in uns aus“, so Andrea Micus. „Denn der Partner von früher kennt noch die Eltern, die Heimat, die Träume, das ist etwas sehr spezielles.“

Deshalb vergessen die meisten Menschen ihre Jugendliebe auch nie. Zu bestimmten Anlässen denken sie gern immer mal wieder an diesen einen Menschen und empfinden ein wohlig-warmes, etwas entrücktes Gefühl. Das führt zu einer latent vorhandenen Sehnsucht nach der alten Liebe.

Aufgewärmte Lieben, fast ein Garant für das späte Glück?

„Nicht unbedingt, denn natürlich gibt es auch Schattenseiten“, wägt Andrea Micus ab. „Die Jugendliebe wird häufig auch verklärt. Man sieht nur die schönen Stunden und vergisst, dass man sich entwickelt hat und natürlich normalerweise nicht in die gleiche Richtung.

Sabine (50) aus Greifswald hat das erlebt. „Nach den ersten Emails von meinem Bernd war ich wie elektrisiert und habe mein Herz ein und meinen Kopf komplett ausgeschaltet. Ich habe ihn einmal gesehen und bin dann sofort zu meiner Liebe in die Berge gezogen.“ Doch nach wenigen Wochen kam die Ernüchterung. „Er hatte mit dem Mann, den ich in Erinnerung hatte, gar nichts mehr gemein. Wir lebten weit weg, wie auf zwei Inseln. Ich habe ganz schnell meine Sachen wieder zusammengepackt und bin zurück in meine Heimat gezogen.“ Ihr Fazit: mehr Zeit lassen. „Man kann auf die alten Gefühle aufbauen, muss aber erst einmal intensiv gucken, ob sie noch zeitgemäss sind.“

Andrea Micus wird konkret. „Man sollte sich bewusst machen, was zur Trennung geführt hat. Sind es äussere Bedingungen gewesen, wie unterschiedliche Ausbildungswege, ist es leichter. Liegt es aber am eigenen Verhalten, muss man das aufarbeiten, um nicht in alte Muster zurückzufallen.“

Auch Verzeihen ist in ihren Augen wichtig. „Man darf sich nichts nachtragen, sondern muss einen Schlussstrich ziehen“, rät sie. Und, ganz wichtig, man muss die neuen Realitäten sehen. „Damit meine ich nicht Glatze statt Locken oder Bäuchlein statt Muskelpack, sondern es geht um Familien, Kinder, Arbeitslosigkeit, um Krankheiten, Sorgen, auch um die zerplatzten Träume. Man ist eingebunden in ein aktuelles Leben und das muss man alles offen ansprechen und anpacken, um zu sehen, wo man aktuell steht und ob neben dem Herzen auch der Kopf mit eingebunden werden kann.“

Und noch etwas: Laut einer Studie ist mehr als die Hälfte der Ausschauhaltenden gebunden. „Man kann also schnell in eine emotionale Zwickmühle geraten“, warnt Andrea Micus und es besteht die Gefahr, dass der Kontakt zum alten Glück das aktuelle zerstört. „Es zerbrechen Ehen und Familien für einen vagen Traum. Deshalb gilt: Vorsicht!“

Aber wer frei für die Liebe ist, hat gute Chancen mit dem Partner von früher erneut glücklich zu sein. „Wir fühlen uns wieder jung, haben auch das Gefühl von früher, den Schwung. Die Sorgen, die Schicksalsschläge, all das ist einfach wie wegeblasen“, erzählt Michaela (60), die vor einiger Zeit nach 40 Jahren ihrer Ferienliebe, dem Spanier Sebastian (62), eine Mail geschrieben hat und zwei Jahre später zu ihm ans Mittelmeer gezogen ist. „Früher haben wir in den Wellen geplanscht, heute gehen wir an der Promenade spazieren. Ansonsten ist er der alte geblieben, hat seinen Charme und seinen Humor behalten. Am meisten liebe ich, wie damals, sein Lachen. Zudem glauben wir, füreinander bestimmt zu sein. Wenn man nach 40 Jahren Pause wieder so glücklich ist wie wir, dann ist die Liebe Schicksal und dauerhaft.“

Andrea Micus gibt dem wiedergefundenen Glück eine grosse Chance: „Wer sich in der Lebensmitte neu bindet, weiss, dass man Kompromisse eingehen muss, niemanden mehr ändern kann. Diese Entspanntheit sorgt dafür, dass man behutsamer miteinander umgeht. Man kennt sich, weiss von den Macken, aber auch den Stärken des anderen. Da flutscht das Glück.“

Trotzdem gilt: „Eine Garantie gibt es nicht“, betont Andrea Micus. „Aber man sollte ruhig mal ein bisschen in der Vergangenheit kramen und auf seine Gefühle hören. Oft lohnt es sich, noch einmal von vorn zu beginnen – mit dem Partner, den man im Herzen nie verloren hat.“

Sie hat das Thema in ihrem aktuellen Roman verarbeitet, ab 19.3. auf dem Markt.

 


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