Zusammen, aber getrennt
Örtlich getrennt, im Herzen vereint
Was, wenn ein Paar seit 18 Jahren zusammenlebt und plötzlich doch noch heiraten will? Der erste Reflex ist bei den meisten Menschen: Warum?
Der Gedanke ist unfreundlich und wahrscheinlich auch falsch. Kann ja sein, dass irgendwann einfach der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Vielleicht muss der Partner oder die Partnerin einfach die Geduld haben zu warten, bis die andere Person auch so weit ist mit seinen Wünschen und Überlegungen.
Die Idee, einen romantischen Vorschlag zu machen, kann plötzlich kommen.
Ist es nicht riskant, die Grundlage der Beziehung nach all der Zeit zu ändern? Man hört immer wieder Geschichten von Paaren, die nach langen gemeinsamen Jahren heiraten, nur um sich kurz danach zu trennen.
Dieses Stück Papier bewirkt einen psychologischen Wandel, und die Erwartungen ändern sich, wenn man verheiratet ist. Viele langfristige Beziehungen werden stressiger, wenn man sie plötzlich offiziell macht.
Der Trend geht nun nämlich in die andere Richtung: Paare in festen Beziehungen, die völlig monogam leben, aber nicht zusammen. Es sind in erster Linie Frauen, die die Entscheidung treffen. Männer sind bequemer, wollen eher heiraten und zusammenziehen, weil sie dann gut betreut werden.
Auch finanziell ist es einfacher, nicht zu heiraten. Jeder Partner kann sein Vermögen seinen eigenen Kindern überlassen. Heiratet man und zieht zusammen, wird es komplizierter.
LAT steht für Living Apart Together, also getrennt zusammenleben. Eine bilokale Partnerschaft ist per Definition eine, die mindestens ein Jahr dauert, die Partner sich in sexueller Hinsicht als Paar verstehen und sie auch von anderen als Paar wahrgenommen werden.
Für die Generation 50plus ist LAT attraktiv. Man glaubt, den richtigen Partner gefunden zu haben. Das hat aber nicht geklappt, und jetzt will man die eigene Wohnung und ihre Freiräume nicht aufgeben.
Grundsätzlich sind es Partner, die eher mehr Distanz als mehr Nähe benötigen. LAT-Paare, die ein sehr unterschiedliches Nähe-Distanz-Bedürfnis empfinden, also ein Partner sehr viel und ein Partner sehr wenig Nähe wünscht, reiben sich in bilokalen Beziehungen auf. Allerdings belastet ein extrem ausgeprägter Unterschied ebenso Beziehungen, die in einer Wohnung leben.
Ein Teil des Alltags, der viele Paare streiten lässt, wie etwa Aufgabenteilung und Geldfragen, fällt weg. Man kann sich aus dem Weg gehen, wenn man genervt ist. Das Paar erlaubt sich also Freiheiten.
Das Paar muss allerdings Rituale entwickeln, die für Nähe und Bindung sorgen, damit es sich nicht auseinanderlebt. Und wenn ein Partner eifersüchtig ist, taugt für dieses Paar das Modell ganz sicher nicht.
Statistisch ist die Beziehungszufriedenheit besonders hoch, wenn Paare etwa zwei Mal die Woche Sex haben. Weniger macht unzufrieden, mehr macht allerdings nicht zufriedener. Langzeit-LAT-Paare sind eher häufiger intim als Langzeitpaare in einer Wohnung.
Eine Erklärung könnte sein: Wir begehren das, was wir nicht haben. Vermissen und Sehnsucht ist durchaus reizvoll für die Leidenschaft. Da kommt kaum Langeweile und Gewöhnung auf. Aber das gilt nur für die, die sich nicht nachts vor Sehnsucht verzehren.
Die meisten LAT-Paare sehen sich alle zwei Tage/Nächte, also häufiger als Fernbeziehungen.