Lebensrückblick: Was Sterbende bereuen

Sterbende überdenken reuevoll verpasste Einsichten des Lebens. Liebe, Mut und Zeit werden dabei am häufigsten als fehlerhaft genutzt erkannt.
Lebensrückblick: Was Sterbende bereuen
(Bild iStock)

Einsichten am Lebensende - emotional und unausweichlich

Zeit auf einem Krankenbett lässt viel Raum für schwirrende Gedanken. Gut und böse, Begeisterung und Trauer, vor allem der Wunsch nach Veränderungen bestimmen dieses Kopfkarussell. Diese Einsichten benennen Sterbende am häufigsten:

Die Zeit schlecht genutzt

Ab der Geburt läuft die Lebenszeit unwiederbringlich nach vorn. Wer diese Lebenszeit gut nutzt, lebt gelassen und aktiv. Doch diese Weisheit berücksichtigen viele Menschen nicht oder zu spät. Sie bereuen, dass keine Zeit für das Leben von Träumen war. Andere wünschen sich mehr Zeit mit der und für die Familie oder, sich überhaupt Zeit für Familie und Familiengründung genommen zu haben.

Alles Geschaffene verblasst angesichts der Einsicht in die verschwendete oder falsch investierte Zeit. Bereits der junge Buddha Seneca weiss, dass jeder Mensch im Leben pro Tag immer die gleiche Zeit zur Verfügung hat. Nur wird sie von den einen für die falschen Bestrebungen verwendet, von anderen regelrecht vergeudet.

Selbstbestimmt leben

Kinder lernen durch Nachahmung und werden von ihrem Umfeld im Charakter geformt. Erwachsene haben eigentlich die Chance, sich von der Fremdbestimmung zu lösen. Den Sprung schaffen nicht alle. Sie ordnen ihre Lebensführung gesellschaftlichen Prinzipien, Erwartungen von Familie oder Meinungen von Freunden unter. Für sich selbst bleibt in dieser Aussenorientierung keine Zeit. 

Das eigentliche Ich erwacht, wenn sich Sterbende der Verschwendung ihrer eigenen Stärken und Träume bewusst werden. Plötzlich werden die Ansichten anderer regelrecht lächerlich. Hätte sich diese Herausforderung vielleicht doch meistern lassen? Oder was wäre, wenn ... - Mit diesem Rückblick wird der innere Friede erheblich gestört, der doch den letzten Weg begleiten soll.

Unerfüllte Liebe

Lieben zu dürfen, ist ein ebensolches Privileg wie geliebt zu werden. Viele Menschen lassen sich auf Lieben und Geliebt werden nicht ein, aus Angst vor Zurückweisung. Erfüllt sich die innere Sehnsucht, vergraut das Empfinden im Alltagstrott. Oft bereuen sie, dass sie nicht oft genug die richtigen Worte für Liebe fanden oder nicht nach diesem Empfinden gehandelt haben.

Wilhelm Busch steht sogar nur liebenden Stunden zu, dass sie auch lebendig seien. Nicht richtig oder nicht genug geliebt zu haben, heben manche Menschen am Lebensende mit Abschiedsbriefen oder einer letzten Aussprache auf. Es endlich auszusprechen, den schönen Gedanken freien Lauf zu lassen, empfinden sie als Trost für sich selbst und lernen dabei sogar noch einmal ein glückliches Lächeln.

Glück festhalten

Unzufriedenheit im Alltag erstickt Momente des Glücksempfindens. Viele Menschen vergessen in der Alltagshektik, dankbar und still zu sein. Am Lebensende wird ihnen erst bewusst, viel oft sie Glück erlebten und es nicht empfanden oder höchstens als Randnotiz und selbstverständlich akzeptierten. Dabei fällt ihnen auch auf, dass Karrierestreben, Konsumwünsche und Selbstansprüche an den Alltag für Glück überflüssig sind und es sogar aus dem Empfinden vertreiben.

Sie erkennen plötzlich, wie schön es ist, jeden Morgen aufzuwachen, am Abend schmerzfrei einzuschlafen, von geliebten Menschen umgeben zu sein. Ein Regenbogen vor dem Fenster, ein Schmetterling auf der Terrasse und viele andere Kleinigkeiten werden in diesen letzten Lebensstunden erst richtig wahrgenommen. Sie sind - wenngleich spät - ein Quell für kindliche Freude und die Reue, sie erst so spät wirklich dankbar wahrzunehmen.

Falsche Prioritäten im Leben

Arbeit ist eine Priorität, oft für Jahrzehnte des Lebens. Jedoch bereuen es viele Menschen, ihr früher zu viel Bedeutung beigemessen zu haben. Sie gehören zu der Personengruppe, die auch im privaten Alltag ständig Büro oder Job im Kopf mit sich trägt. Klar, dadurch wurde der ersehnte Konsum finanziert. Wichtig war davon aber letztendlich nur wenig. Ohne die Fokussierung auf die Arbeit hätte es sich leichter, ohne die angeschafften materiellen Güter gewiss leichter gelebt.

Als Priorität übersehen viele Menschen häufig die viel besprochene Work-Life-Balance. Sie schämen sich fast dafür, wenn sie ein paar Stunden pro Woche entspannen und sich Zeit für entspannende Hobbys nehmen. Am Lebensende können sie zumindest für eine Weile diesen vernachlässigten Teil nachholen. Sobald sie spüren, wie gut das tut, bereuen sie die jetzt knappe Zeit, um solche Augenblicke nachzuholen.

Der Blick über den Tellerrand

Zu den bereuten Dingen gehören verpasste Chancen, zum Beispiel auf geplante, aber nie umgesetzte Reisen. Stress, Job und Gleichmass bestimmten den Alltag. Sie waren gleichzeitig lebenslang ein Alibi, die Komfortzone nicht zu verlassen und sich nicht auf Lebensabenteuer jenseits des Tellerrands einzulassen. Es fehlte vielleicht nur Mut, der jetzt da ist, aber ohne die Zeit, sich zu beweisen.

Vor allem beim Betrachten von Fotoalben brechen viele Sterbende in reuevolle Tränen aus. Hätten sie nicht noch ein paar Minuten für diesen Besuch gehabt? Warum kam es damals beim Abschied nicht zu einer Umarmung? Leider lässt sich dies für ein neues Leben nicht speichern und ändern. Der Gedanke daran ist allerdings ein Trost, vielleicht bei einem letzten Treffen mit lebenden Angehörigen etwas davon zu ändern. 

Fazit:

Sterbenden wird am Lebensende plötzlich bewusst, dass sie ihr Leben falsch oder nicht ausreichend emotional gelebt haben. Sie bereuen tausend Kleinigkeiten, die in der Summe Glück und Erfüllung ausmachen. Jüngere Menschen können aus den reuevollen Gedanken lernen und ihr eigenes Leben rechtzeitig noch besser gestalten.


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