Langlebigkeit
Könnten Menschen ewig leben?
Das Risiko, innerhalb eines Jahres zu sterben, nimmt einer Studie zufolge ab einem Alter von 105 nicht mehr zu. Das schreibt ein internationales Forscherteam im Journal "Science".
Es hatte Daten über Tausende hochbetagte Italiener ausgewertet. Die Ergebnisse befeuern die Debatte, ob es für Menschen ein Höchstalter gibt. "Unsere Daten zeigen, dass bei der Lebenszeit des Menschen bislang keine feste Obergrenze in Sicht ist", sagte Studienautor Kenneth Wachter von der University of California.
Unabhängige Experten warnen aber vor übermässiger Euphorie, einige kritisieren die Studie sogar scharf. Unter Forschern ist es durchaus umstritten, ob das Sterberisiko im hohen Alter ein konstantes Level erreicht.
Von Lebewesen wie Insekten, Würmern oder Hefe ist bekannt, dass das Sterberisiko im höheren Alter sogar sinkt. Das heisst nicht, dass sie gar nicht sterben. Jedes Leben von Tieren und Menschen geht irgendwann zu Ende.
Mit dem Begriff Sterberisiko bezeichnen Forscher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lebewesen innerhalb eines bestimmten Zeitraums stirbt. Wachter und Kollegen, darunter James Vaupel vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock, nutzten für ihre Untersuchung Daten des italienischen Statistikamtes Istat.
Sie beinhalten alle italienischen Frauen und Männer, die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. Dezember 2015 ein Alter von 105 Jahren oder mehr erreicht hatten.
Geburts- und Sterbeurkunden dokumentierten das Alter in jedem einzelnen Fall, was den Forschern zufolge für eine hohe Qualität der Daten spricht.
Nach dem 105. Geburtstag steigt das Sterberisiko nicht mehr
Die Wissenschaftler bestimmten das Sterberisiko mit der sogenannten Ausfallrate, einer bewährten statistischen Methode, mit der auch das Ausfallrisiko eines Bauteils oder die Zerfallswahrscheinlichkeit eines radioaktiven Atoms berechnet wird.
Bei der Analyse der italienischen Daten fanden sie heraus, dass das Sterberisiko bis zu einem Alter von 80 Jahren exponentiell ansteigt, auch wegen eines erhöhten Risikos beispielsweise für Krebs oder Herzinfarkte.
Bei noch älteren Menschen steigt die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu sterben, dann langsamer. Ab einem Alter von 105 Jahren steigt sie den Forschern um Wachter zufolge gar nicht mehr.
Woran könnte das liegen? Laut Wachter und seinem Team könnte es sein, dass extrem alte Menschen besonders gute medizinische Versorgung geniessen.
Zudem würden generell gebrechliche Menschen früher sterben, robuste aber extrem alt werden. "Wenn es ein gleichbleibendes Niveau des Sterberisikos gibt, dann gibt es auch kein Limit für das Alter", sagt auch der französische Demografie-Experte Jean-Marie Robine, der nicht an der Studie beteiligt war, laut einem Artikel im Konkurrenzblatt "Nature".
Der derzeit älteste Mensch, die 117-jährige Japanerin Chiyo Miyako, könnte also theoretisch noch einige Jahre vor sich haben.
Ist die Studie biologisch plausibel?
Robine gibt allerdings auch zu bedenken, dass unveröffentlichte Daten aus Frankreich, Japan und Kanada keine eindeutigen Hinweise auf ein gleichbleibendes Sterberisiko im hohen Alter liefern.
Ihm zufolge brauchte man eine Auswertung, die weltweite Daten berücksichtigt. Andere Forscher bemängeln in dem "Nature"-Artikel, dass die neue Studie mitnichten hieb- und stichfest sei.
Die Hinweise auf ein gleichbleibendes Sterberisiko seien marginal. So seien Daten von weniger als 100 Menschen eingeflossen, die älter als 110 Jahre alt waren.
Es wurden schlicht nicht mehr Menschen in Italien so alt. Andere Experten nennen die Schlussfolgerungen der Studie biologisch unplausibel. "Es begegnen einem grundsätzliche Begrenzungen", sagt etwa Jay Olshansky, ein Experte für Biodemografie an der Universität von Illinois in Chicago.
So gebe es im Körper Zellen, die sich nicht teilen, wie etwa Neurone. Solche Zellen verkümmerten und stürben mit fortschreitendem Alter ab. Das setze der Lebenszeit von Menschen Grenzen.
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