Besuchsdienst SRK
Keine Einsamkeit mehr zuhause
Text: Joëlle Scacchi Bilder: Remo Nägeli
Es ist ein bemerkenswerter Entscheid, den Silvina Valente aus Lausanne vor rund zwei Jahren trifft: Silvina Valente meldet sich beim Roten Kreuz Waadt, weil sie anderen Menschen helfen möchte. Bemerkenswert deshalb, weil Silvina Valente mit einem hohen Teilzeitpensum als Pflegefachfrau arbeitet und einen kleinen Sohn hat. «Das soziale Engagement ist für mich sehr wichtig. Um mit mir selbst und der Erziehung, die ich meinem Sohn vermitteln will, im Einklang zu sein, möchte ich ein Engagement wahrnehmen.»
Ebenfalls vor gut zwei Jahren beschliessen Maria und Antonio Marinelli, sich beim Besuchs- und Begleitdienst SRK ihrer Region zu melden. Die heute 87-Jährige leidet zunehmend darunter, dass ihr Ehemann auch ihr einziger Gesprächspartner ist.
Mehr Geselligkeit dank dem Besuchs- und Begleitdienst SRK
Ein- bis zweimal pro Woche fährt ihr Mann Maria Marinelli seine Frau mit dem Auto zur Physiotherapie. Abgesehen davon geht sie selten aus und hat wenig Besuch. Nur ein Mal pro Woche hilft eine Pflegefachfrau Maria Marinelli beim Duschen.
Dank der Koordination durch das Rote Kreuz Waadt finden Silvina Valente und Maria Marinelli zueinander. Es passt für beide vom ersten Besuch an: Die gebürtige Italienerin wünscht sich sehnlichst eine italienischsprechende Gesprächspartnerin und Silvina Valente, die nach vielen Reisen sieben Sprachen beherrscht, möchte ihr Italienisch pflegen.
Aus der Dienstleistung entsteht eine Freundschaft
Seither haben die zwei Frauen eine starke Beziehung aufgebaut. «Silvina ist unglaublich! Für uns ist sie wie eine Tochter», erklärt Maria Marinelli voller Emotionen. Sie trinken gemeinsam Kaffee, sprechen über die Arbeit von Silvina Valente, und lassen die Vergangenheit aufleben. Im Laufe ihrer Gespräche stellen die zwei Frauen zu ihrer Freude fest, dass ihre Erinnerungen an die Jugend in Chieti, in den Abruzzen, zusammenlaufen. Silvina Valente hatte mit 18 Jahren dort ihre Ferien verbracht, sich verliebt und Italienisch gelernt. Im gleichen Alter, aber zu einer anderen Zeit, hatte Maria Marinelli dort geheiratet.
Jeden Mittwochmorgen verbringt Silvina Valente einige Stunden mit Maria Marinelli, bevor sie ihren Sohn von der Schule abholt. Maria Marinelli ist vergnügt, wenn sie mit ihrer Freundin ein paar Schritte der Strasse entlang spazieren kann, denn alleine hat sie den Mut nicht mehr. Der Lift im Wohnhaus der Marinellis bietet knapp Platz für den Rollator und die letzten zehn Stufen muss die Seniorin auch noch zu Fuss gehen. Dank Silvinas helfender Hand hat sie keine Angst, zu stürzen.
Die kleinen Spaziergänge sind für Maria Marinelli ein Höhepunkt der Woche. Doch die Corona-Pandemie nimmt ihr im März 2020 diesen Lichtblick.
Eine Bereicherung für beide Seiten
Maria Marinelli, die Menschen und den Austausch so liebt, fühlt sich stark isoliert. Zum Glück hält Silvina Valente den Kontakt mit regelmässigen Telefongesprächen aufrecht. Das sei ein Geschenk des Himmels gewesen in dieser schwierigen Zeit, betont Maria Marinelli. Doch die Angst vor der Krankheit und die Einsamkeit setzen ihr zu. Auch Silvina Valente vermisst die Treffen mit der älteren Frau, da sie ihr Engagement nicht als Pflicht empfindet, sondern als bereichernd erlebt. Umso mehr sehnen beide Frauen den Tag des Wiedersehens herbei.
Inzwischen setzen die zwei Freundinnen ihre wöchentlichen Treffen fort. Trotz einem herausfordernden Berufsalltag denkt Silvina Valente nicht daran, Maria Marinelli künftig seltener zu besuchen: «Als ich mein Engagement begann, arbeitete ich nur 50% und hatte mehr Zeit. Obwohl ich jetzt mehr arbeite, ist es undenkbar für mich, Maria im Stich zu lassen!»
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