11 Fragen an E. Widmer-Schlumpf
«Wir haben viel Solidarität erfahren»
1. Wenn Sie auf 2020 zurückblicken, was nehmen Sie Gutes mit?
Corona hat die Schweiz nun seit zwölf Monaten im Griff – das ist eine grosse Herausforderung, auch für Pro Senectute, die auf diese Situation sofort reagiert hat und die Menschen in ihrem neuen, schwierigen Alltag unterstützt. Der grosse Effort der Pro Senectute Organisationen in allen Landesteilen wurde und wird sehr geschätzt. Auch erleben wir tagtäglich, dass sich viele Menschen in der Schweiz Gedanken machen, wie sie den Kontakt in der Familie und über alle Generationen hinweg aufrechterhalten können. Überhaupt haben wir in dieser Krisenzeit eine grosse Solidarität erfahren, die Mut macht. Diese Solidarität wird in den kommenden Monaten nebst grosser Disziplin bei den Hygiene- und Verhaltensregeln ausserordentlich wichtig bleiben.
2. Was können wir 2021 besser machen?
Der Rückzug ins Private geht einher mit einem Verlust an sozialen Kontakten. Und genau diese Kontakte machen das Leben lebenswert. Hier sind wir alle gefordert, an Menschen, die einsam sind, zu denken und nachzufragen, wie es geht oder ob man einen Einkauf oder einen Gang zur Post für sie erledigen kann. Untersuchungen zeigen, dass auch Jüngere stark unter sozialer Isolation leiden. Es ist an uns allen, für diese Menschen da zu sein, indem wir sie telefonisch oder digital kontaktieren, wenn wir sie nicht physisch besuchen können. Dieser Austausch ist wichtig. Ganz zentral ist es, die Generationen nicht gegeneinander auszuspielen. Es ist für alle schwer und es braucht ein funktionierendes Miteinander, um diese Krise zu bewältigen.
3. Welches Motto würden Sie der Generation 50plus mit auf den Weg geben?
Durchhalten und den Mut nicht verlieren. Die Impfung gegen COVID-19 ist dabei ein Silberstreifen am Horizont. Wenn auch nicht Allheilmittel und nur in Kombination mit den Hygiene- und Schutzmassnahmen wirksam, verspricht sie dennoch, dass wir alle bald einfacher mit dem Virus leben können. Pro Senectute empfiehlt deshalb den älteren Menschen, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Sie schützen damit nicht nur sich selbst, sondern auch Angehörige, Freunde und das Gesundheitspersonal. Die Impfung ist ein Akt der Solidarität mit den Jüngeren, welche die Massnahmen mittragen. Angehörigen lege ich ans Herz, ihre älteren Verwandten für eine Impfung zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen. Zudem sollten sie weiterhin die Hygiene- und Verhaltensregeln einhalten, da sich Menschen oft im eigenen Familienkreis anstecken.
4. Sie sind Grossmutter. Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
Nach wie vor hüte ich – wenn immer möglich – meine Enkelkinder. Als Grosseltern muss man selber wissen, ob man Risikofaktoren hat, und sich entsprechend verhalten. Wenn meine Enkel und ich fit und gesund sind, spricht nichts dagegen, dass ich sie hüte. Wenn ich erkältet bin oder sie krank sind, dann verzichten wir darauf, bis sich das Ganze wieder gelegt hat.
5. Apropos Enkelkinder: Wie wichtig ist die Solidarität unter den Generationen?
Die Erfahrungen aus dem Frühjahr machen deutlich, dass die Solidarität in der Schweiz gross ist, wenn wir in einer Notsituation sind. Das zeigt sich auch darin, dass wir als Gemeinschaft – Jung und Alt, gesunde und besonders gefährdete Menschen – in den letzten schwierigen Monaten grundsätzlich sehr gut funktioniert haben. Jetzt müssen wir beweisen, dass dieser Zusammenhalt über eine längere Zeit spielt. Ich bin zuversichtlich, dass uns dies gelingen wird.
6. Die Pandemie verlangt uns allen einiges ab; viele sind Corona-müde. Welches sind Ihre Kraftquellen in dieser schwierigen Zeit?
Wenn ich angespannt bin oder das Gefühl habe, dass mir die Decke auf den Kopf fällt, dann gehe ich ins Freie, spaziere durch den Wald oder wandere in die Höhe, im Winter mit Schneeschuhen. Bewegung bringt mich auf andere Gedanken und tut Körper, Herz und Seele gut.
7. Was macht Ihnen Angst?
Ich sorge mich in erster Linie um meine Familie und um meine Freunde. Angst ist indessen ein schlechter Begleiter, Respekt aber ist wichtig. So auch vor der aktuellen Situation. Wir können jedoch alle etwas beitragen, indem wir durch unser Verhalten niemanden gefährden, der sich besonders vor dem Coronavirus schützen muss.
8. Persönlich: Was ist Ihr grösstes Talent?
Man schreibt mir zu, auch in hektischen Momenten Ruhe zu bewahren und nicht überstürzt zu reagieren.
9. Was würden Sie gerne noch lernen?
Ich möchte gerne meine digitalen Kompetenzen noch verbessern und weiterentwickeln.
10. Was kann man von Ihnen lernen?
Fokussierung und Gelassenheit; sagen jedenfalls meine Freunde und Bekannten.
11. Wären Sie gerne nochmals 20?
Ich verspüre grosse Dankbarkeit für alles, was ich lernen und erfahren durfte – in schönen und in schwierigen Momenten. Will heissen: Ich bin glücklich, im Hier und Jetzt zu sein und ein tolles Umfeld um mich zu haben.
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