KIESERS KERNTHESEN
Der Frust kommt meist von innen
Er gibt in seiner Kolumne all jenen Mut, die glauben, nach 50 könne man sich alleine auf den Geist konzentrieren und den Körper dem Zerfall hingeben. Nicht mit Kieser!
«Es gibt Tage - und das gilt nicht nur fürs Training - da läuft alles nicht so recht. Doch gibt es auch Tage - und hoffentlich viele - da läuft alles wie von selbst, ohne Krampf, ohne Irritation. Das sind Glückstage. Wie kann man deren Anzahl mehren? Was ist deren Ursache? Aus meiner Sicht hat das innere Feuer beim Training damit zu tun, ob ich von Widersprüchen, Kummer und ungelösten Problemen geplagt bin, oder ob ich mit mir einigermassen im Reinen bin. Im ersten Fall bin ich unsicher, befürchte Annerkennungsverlust, wähne irgendwelchen Ansprüchen nicht zu genügen und so weiter. Das macht nervös oder depressiv und zieht meine Aufmerksamkeit und Energie ab. Im zweiten Fall schreite ich unbeschwert und konzentriert zur Tat.
Ob diese produktive Gelassenheit «herstellbar» ist? Ich meine ja. Die erste und einfachste Massnahme besteht in der Ausschaltung äusserer Reize. Vergessen wir nicht, eine ganze Industrie sorgt dafür, dass wir permanent «ausser uns» sind, also nicht zu uns kommen. Wir werden beschallt, beflimmert und mit vermeintlich wichtiger Information zugemüllt.
Wie weit dieser Entäusserungsprozess schon fortgeschritten ist, erkenne ich daran, dass mir Menschen schreiben, die Ruhe in den Kieser Training-Betrieben sei frustrierend. Nun, Frust kommt von innen. Als zweite, etwas schwierigere, Massnahme sehe ich die Herstellung der inneren Bereitschaft. Am Anfang steht das Wollen aufgrund der «Einsicht in die Notwendigkeit» (Hegel).
Ohne Klarheit über den Zweck meines Tuns finde ich nicht die Motivation. Warum trainiere ich? Wozu diese Übung, diese Geräte? Was ist deren Sinn und Zweck? Eine dynamische Geschäftsfrau aus der Modebranche begründete ihre Abneigung gegenüber Kieser Training damit, dass sie keinen Sinn darin sehe, «bei Kieser Maschinen zu bedienen».
Da muss ich ihr völlig Recht geben. Ich steige ja auch nicht einfach in einen Zug, um einen Sitzplatz zu belegen, sondern weil ich rasch von A nach B gelangen will. Sie hat nicht erkannt, dass nicht sie die Maschinen bedient, sondern dass die Maschinen ihre Diener sind. Es sind Werkzeuge, deren Anwendung mich leichter zum Ziel führen. Das «innere Feuer» - die Psychologen sprechen hier von intrinsischer Motivation, im Unterschied zur extrinsischen, von aussen kommenden Motivation durch unmittelbare Belohnung - hat aus meiner Sicht vor allem physiologische Ursachen.
Die Azidose, zu der jedes harte Training unvermeidlich führt, hinterlässt Spuren im Hirn, vergleichbar dem Kick, den bestimmte Extremsportarten verursachen und der ein Verlangen nach Widerholung erzeugt. Ich bin deshalb zur Ansicht gekommen, dass sich dieses innere Feuer früher oder später zu glimmen beginnt. Dass es da ist und sogar drängt, spüren Sie, wenn Sie - aus welchen Gründen auch immer - einige Wochen mit dem Training aussetzen mussten.
Die letzten Wiederholungen sind eine Sache der Konzentration und der korrekten Ausführung. Je sauberer ich die Übung ausführe, umso abrupter und damit eindeutig ist das Ende der Übung.
Am eindeutigsten habe ich das an der LE (Lumbar Extension) Maschine erlebt, weil dort die Isolation der Rückenstrecker perfekt ist. Die zweitletzte Wiederholung geht noch ganz gut; bei der nächsten ist plötzlich Schluss.
Fassen wir die vier Bedingungen für ein produktives Training zusammen:
1. Ausblenden äusserer Reize und damit störungsfreie Konzentration.
2. Distanz zu den (vermeintlich) dringenden Problemen und Sorgen.
3. Wiederholte Azidose
4. Perfekte («saubere») Übungsausführung.»
Werner Kieser ist gelernter Schreiner, diplomierter Trainer und studierter Philosoph. Der Schweizer Muskelguru gründete Kieser Training mit heute 144 eigenen und lizenzierten Betrieben in Europa.
Werner Kieser hat auch darüber geschrieben:
2x 30 Minuten pro Woche - oder weniger
«Kurzes Training ist nicht eine Option, sondern eine Notwendigkeit. Was den Trainingserfolg bringt, ist nicht der Trainingsumfang, sondern die Trainingsintensität. Diese beiden Faktoren verhalten sich reziprok zu einander: Erhöhen Sie den einen, müssen Sie zwangsläufig den anderen senken.
Sie mögen 100 Meter in 13 Sekunden laufen. Sie werden aber nie 1000 Meter in 130 Sekunden schaffen. Ganz einfach deswegen, weil Sie die Intensität, die notwendig ist um 100 Meter in 13 Sekunden zu laufen nicht länger als eben 13 Sekunden aufrecht erhalten können. Der produktive Faktor ist die Intensität. Der Trainingsumfang ist gewissermassen ein notwendiges Übel, weil einfach verschiedene Übungen benötigt werden um den ganzen Bewegungsapparat abzudecken. Bei der technischen Ausrüstung der Kieser Training-Betriebe fällt weg, was vielerorts die Dauer des Trainings verlängert, wie z.B. das Wechseln von Gewichtsscheiben an den Hanteln. Unsere Maschinen ermöglichen einen schnellen Wechsel von Maschine zu Maschine.
Der für das Training erhöhte Adrenalinspiegel hält 30 bis 40 Minuten vor. Selbst bei einigen Minuten Pause zwischen den Übungen sinkt er ab. Es ist ein bekanntes Phänomen: Ich treffe einen Bekannten beim Training und rede ein paar Minuten mit ihm. Danach will ich mein Training fortsetzen und merke, dass mir die vor dem Gespräch vorhandene Motivation abhanden gekommen ist. Da die Intensität die Pulsfrequenz während des ganzen Trainings auf einem relativ hohen Niveau bleibt, wird auch ein Herz-Kreislauf Effekt erzielt; eine ursprünglich gar nicht beabsichtigte, jedoch willkommene Nebenwirkung.
Die Forschung hat zumindest bei den Rückenstreckern gezeigt, dass einmaliges, zweimaliges oder dreimaliges wöchentliches Training denselben Kraftzuwachs erzielt. Es ist anzunehmen, dass es sich mit den übrigen Muskeln nicht viel anders verhält. Zweimal pro Woche reicht bei weitem.
Im Falle von Hochtrainierten ist es sogar zuviel, wie unsere Erfahrung zeigt. Denn je stärker Sie sind, umso längere Erholungszeiten zwischen den Trainings benötigen Sie. Zweimal hochintensives Training pro Woche führt bei Fortgeschrittenen mit Sicherheit zum Übertraining. Das bedeutet Leistungsabfall und erhöhte Krankheitsanfälligkeit, da das Immunsystem geschwächt ist.
Fazit: Trainieren Sie höchstens zweimal pro Woche, jedoch intensiv.»
Das Sturzrisiko älterer Menschen
«Gedanken zur Tagung am 19. November im Vortragssaal des Kunsthauses Zürich. Eine wissenschaftliche Tagung mit dem Thema Krafttraining - Aufbau und Wartung des Bewegungsapparates wäre vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen. Als meine Frau und ich in den späten Achtzigerjahren Krafttraining als Therapie gegen Rückenschmerzen propagierten, schüttelten die meisten Fachleute den Kopf oder zweifelten gar an unserer geistigen Unversehrtheit. Doch die Zeiten haben sich geändert.
Die Wissenschaft unterliegt Moden genau so wie andere Fachgebiete. Von den Sechzigerjahren bis fast ans Ende des Jahrhunderts war Kreislauftraining das Gesundheitstraining. Krafttraining war kein Thema. Ja, es wurde sogar davor gewarnt. Heute gibt es kaum mehr Physiotherapiepraxen und Rehabilitationszentren, die nicht über Kraftgeräte verfügen.
Die Erkenntnis über die gesundheitliche Bedeutung der Muskulatur gewinnt als Schlüsselfaktor in der Gesundheitsförderung rasch an Boden. So konnten beispielsweise Prof. Dr. Urs Eiholzer und sein Team weltweit erstmals nachweisen, dass Muskeltraining bei Kindern nicht nur die Muskelkraft verbessert, sondern auch die Lust auf Bewegung im Erwachsenenalter erhöht. Auch auf diesem Gebiet ist der Fortschritt vor allem ein technischer Fortschritt.
Ich stelle an der Tagung zwei Neuentwicklungen vor: Trainingsmaschinen für die Supination und Pronation des Fusses. Das Sturzrisiko älterer Menschen liegt ursächlich im Kraftverlust der Muskulatur der Sprunggelenke. Wird hier die Kraft wieder hergestellt, sinkt logischerweise das Sturzrisiko. Die zweite Entwicklung ist die Beckenboden-Maschine. Damit ist es erstmals möglich, die Kraft der Beckenbodenmuskulatur und den Trainingsfortschritt zu visualisieren und zu quantifizieren.
Der Bewegungsapparat ist ein komplexes Gebilde. Seine Funktionen sind vielfältig und trainingstechnisch bei weitem noch nicht abgedeckt. Doch die Entwicklung von Technik und Verfahren zu seinem Aufbau und seiner Wartung schreitet voran.»
Geschundene Füsse
«Wir trampeln buchstäblich ein Leben lang auf ihnen herum, kümmern uns aber wenig um ihre Wartung. Vielen Menschen ist durchaus bewusst, dass sie sogenannte «fussstatische» Probleme haben, also Knick-, Hohl- und Senkfüsse. Doch unternehmen nur wenige etwas dagegen.
Das mag auch damit zusammenhängen, dass es bislang kaum effiziente Trainingsgeräte für die Füsse gab. Orthopäden bestätigen: Oft liegt die Ursache von Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen bei den Füssen. Fussprobleme haben vielfältige Ursachen. Meistens ist es entweder Über- oder Unterforderung. Die Überforderung entsteht zum Beispiel beim Laufen.
Benno Nigg, Professor für Biomechanik an der Universität in Calgary sagt: «Wenn sich jemand garantiert verletzen will, empfehle ich, möglichst jeden Tag zu rennen.» Ausserdem - so stellt Nigg fest - werde die Bedeutung des Schuhs masslos überschätzt.
Eine Unterforderung findet dann statt, wenn der Fuss durch das Schuhwerk gestützt und stabilisiert wird - was jedoch von der Sportschuhindustrie als Vorzug ihrer Produkte gepriesen wird. Damit werden die Muskeln, denen diese Funktion obliegt, entlastet und geschwächt. Durch die demographische Entwicklung in unseren Breitengraden gewinnt das Risiko der Sturzgefahr im fortgeschrittenen Alter zunehmend an Aktualität.
Als Präventivmassnahme empfehlen und praktizieren Physio- und Ergotherapeuten mit Vorliebe Balanceübungen um den Gleichgewichtssinn zu üben. Tatsächlich liegt aber die Ursache des Sturzrisikos im altersbedingten Kraftverlust der bewegenden und stabilisierenden Muskulatur des Fusses und dem damit einhergehenden Verlust der Kontrolle über das Sprunggelenk. Natürlich kann der alte Mensch lernen mit seiner Schwäche umzugehen, indem er neue Bewegungsmuster erlernt.
Die erstrebenswerte Lösung aber ist die Wiederherstellung der Muskelkraft, dann ist das Risiko gebannt. Lange wunderte ich mich über die Tatsache, dass es noch kein Trainingsgerät für die Muskulatur des Sprungelenks gab. Heute, nachdem wir in fünfjähriger Forschungsarbeit ein Gerät für die Supination und eines für die Pronation der Füsse entwickelt haben, ist mir der Grund klar geworden: Der Aufwand war einfach (zu) gross.
Die Zusammenarbeit mit den Forschern der Universität Essen, die Erforschung der Kraftkurven der involvierten Muskeln, die vielen Entwürfe und unbefriedigenden Prototypen - all das ging ins Geld, aber ist jetzt vorbei. Die beiden Geräte stellen eine Weltneuheit dar und helfen schon hunderten von Menschen bei der Prävention, aber auch bei der Lösung von Fussproblemen.»
Kraft vs. Audauer
«Ab und zu werde ich gefragt, warum Kieser Training kein Training an Ausdauergeräten - Ergometern, Laufbändern und dergleichen - anbietet. Die Antwort ist einfach: Weil Sie damit den Effekt des Krafttrainings aufheben. Alle Anstrengung umsonst! Ausdauertraining unmittelbar vor dem Krafttraining bewirkt, dass das nachfolgende Krafttraining den für den Trainingseffekt notwendigen Aufbaustoffwechsel nicht mehr zu stimulieren vermag.
Ausdauertraining unmittelbar nach dem Krafttraining führt zu Eiweissabbau und Entzündungsanzeichen. Wenn Sie Ausdauertraining betreiben möchten, sollten Sie dies einige Stunden vor oder nach dem Krafttraining tun. Dieser Sachverhalt wurde schon vor über 40 Jahren vom amerikanischen Krafttrainer Vince Gironda publiziert. Mittlerweile hat auch die Wissenschaft nachgezogen. Bis diese Erkenntnis in der Fitnesswelt insgesamt Fuss gefasst hat, werden erfahrungsgemäss noch Jahre vergehen.
Wenn Sie Ihr Ausdauertraining lediglich wegen seines gesundheitsfördernden Effektes betreiben möchten, reicht tägliches rasches Gehen (nicht Laufen) über die Gesamtdauer einer halben Stunde. Wobei dies auch zusammengesetzt, d.h. in mehreren Teilabschnitten erfolgen kann, indem Sie beispielsweise kürzere Strecken zu Fuss zurücklegen, statt mit dem Auto und auch mal die Treppe nehmen statt Lift und Rolltreppe zu benützen. Dazu benötigen Sie weder spezielle Trainingsgeräte, noch müssen Sie sich verkleiden. Damit senken Sie Ihr Infarktrisiko schon um 15 Prozent. Viel mehr erreichen Sie auch mit noch so extensivem Ausdauertraining nicht.»
Literatur zum Thema Hoppeler, H. (et al.), "Molekuläre Mechanismen der Anpassungsfähigkeit der Skelettmuskulatur" Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Traumatologie 59 (1) 6-13, 2011 Colombani, P. Fette Irrtümer. Zürich, Orell Füssli. 2011