Einmal anfassen auch im Seniorenheim

Wenn Menschen ins Altenheim kommen, fehlt es ihnen oft an Intimität und Berührungen. Sexuelle Dienstleistungen sollten dann kein Tabu sein.
Liebe, Zärtlichkeit, Zuneigung, Intimität
Auch Senioren sehnen sich nach Zärtlichkeit. (Bild: Fotolia)

Es ist etwas über ein Jahr her, dass Karl-Heinz Krüger eine Frau im Arm hielt. Sie hatte lange blonde Haare und trug Schlüpfer, BH und Unterhemd in Schwarz. Er sass in Unterhose auf einem Bett, sie legte sich zu ihm. Direkt in seine Arme, das fand er besonders schön.

Was er gestern gegessen hat, weiss der 69-Jährige nicht mehr, aber an dieses Treffen kann er sich genau erinnern. "Ich denke jeden Tag an ihre Haut, an ihren Geruch." Es wurden Fotoaufnahmen zum Thema Liebe und Alter gemacht. Krüger bewahrt das Bild in seinem Zimmer auf. Der ehemalige Kfz-Mechaniker lebt in einem Altenheim im Hamburger Norden. Drittes Obergeschoss, Einzelzimmer, helles Laminat.

Der Fernseher läuft stumm, Krüger sitzt gegenüber in einem abgewetzten Plüschsessel. Er zeigt bald auf eine Schublade, in der er Geld spart. 80 Euro hätte er schon, fehlen noch 70. Denn die, wie er sagt, "schöne, warme Dame", die er bei den Fotoaufnahmen traf, ist Sexualbegleiterin. Für 150 Euro kann er sie buchen, dann ist sie eine Stunde nur bei ihm. Es war lange niemand mehr eine Stunde nur bei ihm.

Vielen älteren Menschen fehlen menschliche Nähe und Berührungen. Derzeit sind an die 17 Millionen Deutsche über 65, viele leben allein oder in Heimen. Es gibt Studien, in denen 88,9 Prozent der 70-bis 74-jährigen Männer in Deutschland sowie 64,4 Prozent der Frauen im gleichen Alter angeben, sich nach Geschlechtsverkehr zu sehnen.

Es gibt ebenfalls Studien, in denen ähnliche Altersgruppen die reine körperliche Erregung als weniger wichtig beurteilen, als etwa Streicheln und Küssen. Aber auch das fehlt Senioren oft. Und damit mag sich kaum jemand beschäftigen. Das Liebesleben im Alter ist noch immer ein Tabuthema. Für die Jüngeren, weil solche Zahlen auch die eigenen Eltern oder Grosseltern einschliessen, die lieber asexuelle Wesen sein sollen und ihnen oft peinlich werden, wenn sie es nicht sind.

Für die Älteren, weil es sich in ihrer Generation nicht gehört, offen zu begehren und ausserdem schmerzlich sein kann, sich die eigene Bedürftigkeit einzugestehen. Kann da gekaufte Intimität eine Lösung sein? Die Dame, die Karl-Heinz Krüger so gerne wieder in seinen Armen halten würde, arbeitet bei "Nessita". Ein Dienst, der bundesweit Sexualassistenten an Senioren vermittelt, die ans Bett gefesselt sind oder wie Krüger kaum noch laufen können.


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