55-Jährige sollen nicht mehr ausgesteuert werden

Eine Arbeitsgruppe prüft Modelle, die älteren Menschen ohne Job einen verbesserten Schutz gewähren sollen. Das Seco kritisiert aber den Skos-Vorschlag.
Arbeitslosigkeit: 55-Jährige sollen nicht mehr ausgesteuert werden.
Arbeitslosigkeit: 55-Jährige sollen nicht mehr ausgesteuert werden.

Endlich etwas Handfestes! So reagierten Politiker von links bis rechts auf die Vorschläge der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) zum Schutz von älteren Arbeitslosen: Über 55-Jährige sollen nicht mehr ausgesteuert werden, sondern bis zum Rentenalter Arbeitslosengelder beziehen.

Vorausgesetzt, sie haben während 20 Jahren Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlt. Der Gang auf das Sozialamt bliebe ihnen erspart, so die Forderung. Zuvor trafen sich Bund, Kantone und Sozialpartner an drei Konferenzen zum Thema ältere Personen auf dem Arbeitsmarkt - ergebnislos: Ausser wolkigen Absichtsbekundungen schaute nichts Zählbares dabei heraus, schreibt Jonas Schmid in der "Aargauer Zeitung".

Letzte Woche tagten Bund, Kantone und Sozialpartner erneut. Und siehe da: Unter die üblichen Wortgirlanden schaffte es diesmal ein konkreter Auftrag in die Abschlusserklärung: "Bund, Kantone und Sozialpartner prüfen Vorschläge, mit denen finanzielle und soziale Probleme durch drohende Aussteuerung von älteren Arbeitslosen verhindert werden können", heisst es.

Ganz so freiwillig ist der Prüf-Auftrag dem Vernehmen nach nicht erfolgt. Vielmehr verknurrten Kantone und Sozialpartner den Bund dazu. Als einziger Akteur habe das zuständige Sekretariat für Wirtschaft (Seco) an der Konferenz deutlich Missfallen am Skos-Vorschlag geäussert, heisst es aus verschiedenen Quellen.

Streit über Prüfauftrag

Das Seco hält an seiner Kritik fest. "Ziel muss eine möglichst hohe Integration von älteren Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt sein", sagt Sprecher Fabian Maienfisch auf Anfrage. Der Skos-Vorschlag bewirke genau das Gegenteil: "Die Anreize zur Stellensuche und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit würden durch eine unbefristete Leistungsbezugsdauer massiv geschmälert."

Und: "Das Seco hat keinen Auftrag erhalten, den Skos-Vorschlag zu prüfen." Diese Aussage des Seco-Sprechers bringt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, auf die Palme: "Für uns ist sonnenklar, dass die Passage so zu verstehen ist, dass auch der Skos-Vorschlag geprüft wird.

Und zwar vollständig, zumal dieser nicht so kompliziert ist", findet Lampart. Selbst der Arbeitgeberverband geht mit dem Skos-Modell weniger hart ins Gericht als das Seco. "Wir begrüssen es, dass die Skos die Wiedereingliederung der über 55-Jährigen über die Arbeitslosenversicherung noch weiter verstärken will", sagt Martin Kaiser, verantwortlich für die Sozialpolitik beim Arbeitgeberverband.

Die Formulierungen in der Schlusserklärung bedeuteten aber nicht, dass das Skos-Modell "integral" geprüft werde, "es werden aber sicher einzelne Elemente aufgenommen".

Zwei Pferdefüsse

Einer, der sowohl die Sozialhilfe wie auch Arbeitsvermittlung in seinem Kanton verantwortet, ist der Basler Volkswirtschaftsdirektor Christoph Brutschin. Er nahm in seiner Funktion als Präsident der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren an der nationalen Konferenz teil: Die Skos lege den Finger auf den wunden Punkt, sagt er: "Es geht nicht zuletzt um die Würde der Betroffenen.

Wenn sie ihr Vermögen auf unter 4000 Franken reduzieren müssen, bevor sie Sozialhilfe erhalten, ist das erniedrigend." Das Ziel müsse sein, dass ältere Arbeitslose möglichst lange beim RAV bleiben. "Das Sozialamt hat in der Regel nicht die Qualifikation und Mittel zur Jobvermittlung."

Brutschin erkennt aber zwei offensichtliche Pferdefüsse am Skos-Vorschlag: Die vorgeschlagene Beschäftigungsdauer von 20 Jahren sei nicht kompatibel mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen. Andererseits besteht keine gesetzliche Grundlage, wonach die Finanzierung über die Arbeitslosenkasse abgewickelt werden könnte.

Dass sein Modell noch nachgebessert werden muss, weiss auch Markus Kaufmann, Skos-Geschäftsführer. "Wir wollen keine Zuwanderung aus dem Ausland bewirken und auch keinen Export von Leistungen ins Ausland zulassen", sagt er. Der Handlungsbedarf existiere aber und die Skos gehe davon aus, dass eine Lösung gefunden werden könne.

www.aargauerzeitung.ch


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