MODE
Die Alten werden nicht mehr alt sein
Trendforscher operieren gerne mit schmissigen Begriffen – so waren vor einigen Jahren die «Lohas» in aller Munde, die sich einem «Lifestyle of health and sustainability» verpflichteten.
Nun muss man sich vielleicht bald an die «Sayahs» gewöhnen: Sie sind «Silver agers, young at heart».
Ausgedacht hat sich den neuen Begriff die Münchner Konsum- und Luxusforscherin Petra-Anna Herhoffer (53), die ihn ins Zentrum ihrer aktuellen Studie «Konsumgenerationen 2018» stellt, wie NZZ Bellevue schreibt.
«Sayah» sei der passende Begriff für eine vielleicht nicht so neue, aber relevante Zielgruppe der Luxusgüterindustrie. Vertreter dieser Spezies seien objektiv alt an Jahren, doch im Herzen, Kopf und nicht selten auch in der Physis ein oder zwei Dekaden jünger geblieben, so die Studie.
«Da ist eine stille Revolution im Gange», sagt Petra-Anna Herhoffer (Inlux / The Luxury Experts), «der bisher dritte und letzte Lebensabschnitt wird der vorletzte werden.»
Es sei mit Konsumenten zu rechnen, die bis ins hohe Alter Neuanfänge wagen und etwas erleben wollen.
Werbung entdeckt die Senioren
Bisher waren die Alten selten im Fokus der Vermarkter. Man nahm sie zwar gerne mit, aber die Werbung zielte auf Babyboomer, Generation X, Millennials oder die ganz Jungen, die Generation Z.
Das ändere sich nun deutlich. Als Beispiele für Marken, die den Wandel bereits verinnerlicht haben und entsprechend kommunizieren, nennt Trendforscherin Herhoffer die Kosmetikfirma Lancôme, welche mit der 65-jährigen Isabella Rossellini wirbt.
Oder den Edelschneider Brioni, der mit dem 80-jährigen Sir Anthony Hopkins auf Kundenfang geht.
Als die typischen Werte der neuen Top-Zielgruppe identifiziert Petra-Anna Herhoffer Diskretion, kulturelles (Er-)Leben und eine gesunde Umwelt.
Die um die Jahre des Zweiten Weltkriegs Geborenen pflegen eher das Understatement als das Overstatement, sprich: Sie zeigen Luxus, wenn sie ihn sich leisten, nicht so offensichtlich wie jüngere Generationen, etwa die Millennials, für die Luxusmarken mehr Statusgewicht haben.
Entmaterialisierung des Luxus
Dass Luxus kontinuierlich weniger materiell verstanden wird, ist eine weitere, wichtige Botschaft von Petra-Anna Herhoffers Forschung.
So nennen praktisch alle Zielgruppen, also auch die Jungen, Well-being, Selbstoptimierung, Zeit für sich selbst oder Freunde und Familie zu haben oder an der Gesundheit zu arbeiten, als individuellen Luxus.
Exklusive Produkte, neue Technik, ein schnittiges Auto oder auch Immobilienbesitz haben nicht annähernd diese Werte. «Heute ist Luxus nicht mehr das, was die Anbieter von Luxusgütern definieren, sondern das, was konsummündige Menschen dafür halten», sagt Herhoffer.
Wenn dann trotzdem einmal Luxusprodukte gekauft werden, so die Studie, dann spielen Qualität, Langlebigkeit und Funktionalität heute eine wesentlich grössere Rolle als nur das Markenimage oder das Design.
Kunden seien souveräner im Umgang mit Luxusmarken geworden, und die klassischen Luxus-Manifeste der letzten Jahrzehnte hätten an Bedeutung eingebüsst.