Trickbetrüger als perfekter Imitator

Ein unglaublicher Fall: Der pensionierte Tonhalle-Geiger Klaus Sattler hat einem Betrüger 80 000 Franken übergeben, die er bei der ZKB Saland abhob.
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Bei sehr raffinierten Trickdieben wird auch der schlauste Mensch zum Opfer (Foto: Fotolia)

Dabei wollte der 76-Jährige bloss seinem Arzt aus der Patsche helfen.

Der Enkeltrick ist ein Lausbubenstreich, verglichen mit dem, was Klaus Sattler passiert ist. Sattler ist ein rüstiger Rentner, er pflegt seinen riesigen Garten am Waldrand von Saland ZH selber und fährt auf den Ski die steilsten Tiefschneehänge hinunter - er ist kein gebrechlicher Senior, den man mit Trick 77 einfach so übers Ohr hauen kann.

Und doch wurde der virtuose Geiger ausgetrickst. Da telefonierte ihm am Freitagmittag angeblich sein Freund und Vertrauensarzt Jürgen (Name geändert) aus Zürich, ein Mann mit Professorentitel, gebürtiger Deutscher. "Hallo Klaus, da ist der Jürgen, kannst du mir bitte einen Riesengefallen tun?"

Der Arzt, mit dem er seit gemeinsamen Skiabenteuern per Du ist, bittet ihn um 80 000 Franken - noch an diesem Nachmittag. "Als Grund für seine Finanznot erzählte mir mein Freund etwas von einem Notar", sagt Sattler. Weil der Künstler nicht an den Geschäften seines Arztes interessiert ist, fragte er nicht weiter nach.

So drehte sich das Gespräch nur noch um den Ort der Übergabe. "Zuerst machten wir ab, dass er das Geld bei mir zu Hause abholt", erzählt der erstaunlich ruhige Sattler zu Hause in seiner Stube. "Dann telefonierte mir mein Freund Jürgen erneut und wollte das Geld in Lottstetten an der Grenze übernehmen, doch das war mir zu umständlich."

Jürgen sagte zudem, er sei telefonisch bis Montag nicht erreichbar, er melde sich selber wieder. "Schliesslich machten wir um 17 Uhr am Bahnhof Uster beim Chinesen ab." Sein angeblicher Freund teilte ihm zudem mit Bedauern mit, dass er nicht selber kommen könne; er schicke einen Bekannten.

Den Rest des Nachmittags verbrachte Klaus Sattler damit, die 80 000 Franken aufzutreiben. Er hatte vor zwei Monaten einen Teil seines grossen Gartens, samt Birnbaum und Scheune, verkauft, weil ihm das Rasenmähen zu anstrengend geworden war. Dafür erhielt er 110 000 Franken, die er auf der ZKB-Filiale Saland deponierte.

Mit der ausdrücklichen Weisung: "Nur absolut sichere Anlagen, keine Spekulationen." Sattler holte das Geld am Freitagnachmittag nach telefonischer Voranmeldung bei der ZKB ab. "Der Banker und ich kennen uns persönlich", erzählt Sattler.

"Er fragte mehrmals, ob ich ganz sicher sei. Und ich erklärte ihm, dass das Geld für meinen Freund, den Arzt, sei und ich hundertprozentig die Hand für ihn ins Feuer lege." Sattler liess sich das Geld in Tausendernoten mit Büroklammern zu acht Zehnerbündeln heften.

Dann fuhr er zum Bahnhof Uster. Noch immer hegte Sattler nicht die geringsten Zweifel. Etwas irritiert war er bloss über den Mann, der in Uster auf ihn wartete. "Er war mir auf den ersten Blick so unsympathisch, wie ein Mensch nur sein kann - untersetzt, glatzköpfig, 50- bis 60-jährig, mit angelerntem Deutsch, vermutlich ein Ostler."

Der Mann stellte sich als David vor, sagte weder Hallo noch Danke. Er nahm das Couvert und ging offensichtlich auf den nächsten Zug. Klaus Sattler stammt aus dem Schwarzwald, ist Geiger und hat von 1963 bis 2005 im Orchester der Zürcher Tonhalle gespielt. Seit Anfang Jahr ist seine Frau Gerty, "eine wunderbare Pianistin", mit Altersdemenz im Pflegeheim.

Ihr galt am Samstagmorgen seine erste Sorge, als Sattler am ZKB-Bankomaten sein Konto prüfte. Jeweils am 10. des Monats ist die Zahlung ans Pflegeheim fällig. Er konnte kein Geld mehr abheben - "wahrscheinlich wegen des Grossbezugs vom Vortag".

Da plagte ihn zum ersten Mal grosse Unsicherheit. Sattler rief bei seinem Freund Jürgen in Zürich an und fragte: "Ist alles gut gegangen mit dem Notar?" Der Arzt fiel aus allen Wolken. "Wir bekamen fast Streit", erzählt Sattler, "weil Jürgen nichts von diesem Geld wissen wollte."

Als Erstes telefonierte der Arzt der Polizei, dann rief auch Sattler der Kapo an. Er kann es noch immer nicht fassen, derart ausgetrickst worden zu sein. "Der Betrüger hatte die Stimme meines Arztes teuflisch gut drauf, einfach perfekt, wie ein eineiiger Zwilling."

Zudem fragt sich Sattler: Woher wusste der Betrüger, dass er diesen Arzt kennt und mit ihm per Du ist? Und dass er durch den Landverkauf flüssige Mittel hatte? "Am meisten ärgert mich, dass ich ein solcher Trottel bin", sagt Sattler.

Insbesondere drei Fehler wirft er sich vor: "Ich habe nicht auf einer persönlichen Übergabe bestanden, ich habe meinem Arzt nicht selber telefoniert, und ich habe die Nummer seiner Anrufe nicht überprüft." Die Polizei stellte später fest, dass der angebliche Arzt aus einer Telefonzelle angerufen hatte.

Der untersuchende Polizeibeamte habe ihm gesagt: "Dieser Betrüger war unheimlich raffiniert." Finanzielle Not leidet Sattler im Moment nicht. Seit er sich nicht mehr um die Pflege seiner Frau kümmern muss, spielt er wieder Geige. "Viel lockerer als früher - und die Geige tönt besser."


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