Das steckt hinter dem Öko-Streit um die Freizeitjacke

Outdoor-Kleider müssen atmungsaktiv und wasserdicht sein. Das Material ist allerdings oft umweltschädlich. Das soll sich ändern.
Umweltgifte, Membran, Kunststoffjacken
Vorsicht Umweltgifte: Die Membrane in den Kunststoffjacken sind problematisch (Bild: Fotolia)

Rüdiger Fox ist noch relativ frisch in der Outdoor-Branche. Seit gut einem Jahr steht er an der Spitze des Zulieferers Sympatex. Aber einige Gepflogenheiten der Kraxler-Industrie kommen dem 50-jährigen Manager immer noch befremdlich vor.

"Für mich war die erste Überraschung in der Outdoor-Branche, dass Nachhaltigkeit kein Thema war", sagt er. "Wir können nicht davon leben wollen, dass Menschen die Natur geniessen und sie gleichzeitig mit unseren Produkten beeinträchtigen."

Fox spricht von einem ebenso umstrittenen wie allgegenwärtigen Material, das unzählige Anoraks, Hosen und Rucksäcke für Bergwanderer, Kletterer oder Extremsportler wasserdicht und wetterfest macht: Membranen auf der Basis sogenannter poly- oder perfluorierter Chemikalien (PFC).

Der Stoff kommt auch in Feuerlöschschaum, Schmiermitteln, Farben und anderen Alltagsprodukten vor. Er ist seit Jahrzehnten auf dem Markt, seine Problematik ist bestens bekannt. "PFC sind kaum abbaubar und bleiben daher für einen sehr langen Zeitraum in der Umwelt. Sie reichern sich in der Umwelt und in Organismen an und wirken zudem gesundheitsschädlich auf den Menschen", schreibt das Umweltbundesamt.

PFC werden ausserdem als Hilfsstoff für die Herstellung eines chemisch verwandten Materials eingesetzt: PTFE, besser bekannt unter dem Namen Teflon.

Krisenmanager aus der Luftfahrtindustrie

Fox ist ein umtriebiger Mann. Er ist gelernter Diplomingenieur, Buchautor ("Bionische Unternehmensführung") und Querdenker. Das von ihm gegründete Hamburger GCH-Institut befasst sich mit Fragen rund um das Thema, wie Firmen den grösstmöglichen und nachhaltigen Nutzen über harte Wirtschaftsfakten hinaus schaffen können.

GCH steht für "Gross Corporate Happiness", grob zu übersetzen mit "Bruttounternehmensglück". Aber Fox ist kein Esoteriker. Vor seinem Einstieg bei Sympatex im Juli vergangenen Jahres hat er unter anderem in der Auto-, Telekommunikations- und Luftfahrtindustrie gearbeitet, oft als Krisenmanager.

Auch bei Sympatex ist sein Job nicht einfach. Grosse Outdoor-Marken wie Jack Wolfskin, The North Face oder Fjällräven verfügen über eine begrenzte Auswahl an Zulieferern der Membranen, aus denen sie ihre Endprodukte für die Draussen-Community schneidern.

Mit Abstand dominierend bei wasserfestem Textil ist der US-Hersteller W.L. Gore & Associates, der mit der Marke Goretext einen Marktanteil von angeblich um die 90 Prozent erzielt. Der Weltumsatz der Privatfirma soll umgerechnet drei Milliarden Euro übertreffen.

Und dann gibt es, neben wenigen anderen, noch Sympatex. Umsatz rund 30 Millionen Euro. Gegen den Marktführer tritt Fox mit einer Doppelstrategie an: den Riesen wegen umweltpolitisch zweifelhafter Produkte in einem Markt, der auf Naturfreunde zielt, angreifen. Und zugleich die Umweltverträglichkeit der eigenen Erzeugnisse herausstreichen.

Goretex hat dem Druck nachgegeben

Teil eins seiner Strategie ist nicht so aufgegangen wie von Fox wohl erhofft. Das Goretex-Management griff die Öko-Zweifel nach langem Zögern auf. Auf der Fachmesse Ispo im Februar unterzeichnete die Firma eine Selbstverpflichtung zum Ausstieg aus der Beschichtung mit PFC bis Ende 2020, bei Spezialprodukten lässt sich die Firma bis Ende 2023 Zeit.

"Geschafft", feierte Greenpeace den Erfolg seiner Bemühungen in der seit Jahren laufenden Detox-Kampagne zur Ächtung von Risikochemie in Alltagsprodukten. Die Erleichterung der Umweltschützer war mit Händen zu greifen. Goretex' Verzicht sei ein echter Durchbruch zur Entgiftung der Draussenkleidung, ein "Paukenschlag für die gesamte Branche", wie es in der Mitteilung von Greenpeace heisst.

Fox mag in die Jubelarie der Umweltschützer nicht einstimmen. Zum einen sei es nicht gerade ehrgeizig, sechs Jahre für den Ausstieg zu veranschlagen, sagt er. Zum anderen plane Goretex zwar einen Verzicht auf PFC, wolle aber an dem Teflonmaterial PTFE festhalten.

Vom Landgericht Hamburg liess Sympatex dem Rivalen in einer einstweiligen Verfügung untersagen, weiterhin zu erklären, seine Produktion sei "umweltfreundlich". "Man darf nicht nach dem ersten Trippelschritt schon behaupten, das Problem sei gelöst", gibt sich Fox kämpferisch.

Der Teflongrundstoff gilt zwar beim normalen Gebrauch nicht als gesundheitsgefährdend, doch würden Textilien aus dem Material häufig nicht ordnungsgemäss entsorgt, sondern in Entwicklungsländern unkontrolliert verbrannt, argumentiert Sympatex. Dabei könnten schwerwiegende Schädigungen wie das berüchtigte Teflonfieber auftreten, eine Erkrankung mit grippeähnlichen Symptomen.

Greenpeace unterstützt Gore-Innovationsprogramm

Goretex lässt das nicht gelten. Man leiste mit der Festlegung der Öko-Ziele vielmehr einen wichtigen Beitrag zum Thema Umweltschutz. "Greenpeace unterstützt unser Innovationsprogramm und bestätigt, dass unsere Produkte sicher für den Verbraucher sind", sagte eine Sprecherin.

Goretex hatte seinerseits eine einstweilige Verfügung gegen den kleineren Konkurrenten erwirkt, in der diesem die Verbreitung bestimmter Formulierungen untersagt wird. Rechtlich gibt es also derzeit ein Patt, weitere Verfahren sind momentan nicht anhängig.

Der Kampf auf dem Markt geht weiter. Derzeit arbeitet Sympatex daran, den Kreislauf seiner Produktion komplett zu schliessen, und rühmt sich - Teil zwei des Fox-Plans - dementsprechend selbst als Öko-Schrittmacher der Branche, zumal schon das eigene Ausgangsmaterial als ökologisch vergleichsweise unproblematisch gilt: der Kunststoff PET.

Sympatex könne aus alten PET-Flaschen ein Garn erzeugen, das sich beliebig oft ohne Qualitätsverluste recyceln lasse, sagt Fox und versichert, die Kreislaufwirtschaft nicht nur als theoretische Möglichkeit, sondern als gelebte Realität umzusetzen. Der Anfang sei bereits gemacht: "Wir haben ein Konsortium mit Altkleidersammlern und Textil- sowie Recyclingpartnern errichtet, die den gesamten Kreislauf abbilden können", versichert er.

"Wir beginnen mit Berufskleidung bei Behörden und Unternehmen - Post, Bahn, Polizei. Da lässt sich der Rücknahmekreislauf relativ leicht gestalten." Fachhandel und Online-Verkäufe an Endkunden in das Recyclingsystem einzubeziehen dürfte wesentlich schwieriger werden, aber Fox gibt sich entschlossen, seine Strategie auch hierbei durchzuziehen - auch weil er auf Sympathiepunkte bei den Wander- und Kletterfreunden setzt.

"Wir sind der kleine David, der sich mit dem Riesen anlegt. " Und er setzt darauf, dass der Trend ihm in die Hände spielt. Die wachsende Beanspruchung des Planeten durch den Menschen werde umweltverträgliche Güter begünstigen: "Vor 30 Jahren, als Sympatex startete, gab es fünf Milliarden Menschen auf der Erde. Jetzt sind es 50 Prozent mehr." Die Kunden würden mit ihrer Nachfrage einen Schwenk weg vom Teflon in der Regenjacke erzwingen, glaubt er.


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