ERINNERUNG
Darum verfliegt die Zeit im Alter immer schneller
Aber woran liegt das?, fragt die «Heimatzeitung». Der Psychologen und Zeitforscher Marc Wittmann aus Freiburg im Breisgau hat eine Antwort.
Das kann man am besten mit zunehmenden Routinen erklären. Wenn wir immer weniger erleben, das neuartig ist, verfliegt die Zeit. Dinge, die wir zum ersten Mal erleben, lassen uns die Zeit dagegen als länger dauernd wahrnehmen.
Deshalb erscheint uns auch die Kindheit und Jugend so lang zu sein: In den drei Jahren zwischen 14 und 17 passiert unglaublich viel, unglaublich viel verändert sich. Das wird besonders im Gedächtnis abgespeichert und kommt einem wesentlich länger vor als etwa die Jahre zwischen 52 und 55, wo sich meist nicht mehr gar so viel Neues tut.
Das passiert im Gehirn
Erinnerungen speichern wir im episodischen Gedächtnis ab. Das ist anders als etwa das semantische Gedächtnis, in dem wir wissen, dass die Hauptstadt von Irland Dublin heisst, oder das motorische Gedächtnis, in dem die Abläufe für das Radfahren abgespeichert sind.
Dieses episodische Gedächtnis ist aber eben besonders gefragt, wenn wir Neues erleben. Man kann da zum Beispiel auch vom Urlaubs-Effekt sprechen: Die ersten Tage in einem neuen Land erleben wir unglaublich lang und intensiv, weil alles neu ist: Gerüche, die Sprache, die Menschen - dadurch dehnt sich die Zeit.
Ist man dann länger in dem Land, vergeht die Zeit wieder wie im Flug.
So rast die Zeit weniger
Man kann versuchen, Neues zu erleben. Routinen können auch erholsam sein, gewisse Rituale braucht der Mensch, das streite ich gar nicht ab. Aber wenn man aus diesem Immer-Gleichen versucht auszubrechen, nimmt man die Zeit wieder bewusster und länger wahr - und hat, wenn es Erlebnisse mit positiver Emotionalität sind, auch noch ordentlich Freude damit.