HINRCOACH-KOLUMNE
Immer älter, weiser und glücklicher?
«Immer diese unzufriedenen strengen Alten», spottete einer der Jungs und schien sich darin zu brüsten, noch jung und unbeschwert zu sein.
Aber sind ältere Personen wirklich unzufriedener? Längsschnittstudien zeichnen ein ganz anderes Bild: Ältere Personen sind genauso glücklich wie Personen im Alter von ca. 20 Jahren und glücklicher als Personen zwischen 30 – 50 Jahren.
Erst im ganz hohen Alter, das oft von Krankheiten belastet ist, sinkt die Lebenszufriedenheit wieder. Die Untersuchungen zeigen weiterhin, dass im Unterschied zu jüngeren Personen, die von einer produktiven Unzufriedenheit antrieben sind, ältere Personen gelassener sind.
Sie haben gelernt, was sich ändern lässt und was nicht. Diese Art der Akzeptanz von Lebensumständen führt dazu, dass es ihnen gelingt, Ansprüche und Möglichkeiten in Einklang zu bringen und damit mehr Zufriedenheit zu erlangen.
Neuste Untersuchungen im Zusammenhang mit covid-19 bestätigen dies, indem das Alter als schützender Resilienzfaktor identifiziert wurde. Ältere Personen empfinden demnach trotz einschränkender Massnahmen weniger Stress als jüngere Personen.
Schön, könnten Sie jetzt denken, und sich zurücklehnen. Da gibt es aber noch eine andere wichtige Erkenntnis: Ein zufriedenes Leben im Alter geschieht nicht einfach von allein. Vielmehr ist es eine Leistung, die uns etwas abverlangt. Es braucht proaktive Taten, die manchmal etwas anstrengend sein können.
So wäre es zum Beispiel öfters einfacher, gemütlich alleine zuhause vor dem Fernseher zu sitzen, statt sich mit anderen Personen abzugeben, ihnen zuzuhören und sie versuchen zu verstehen. Beziehungen kosten Energie und immer wieder auch Nerven.
Doch die Forschung zeigt, dass Interaktionen und tragende, starke und vielfältige gesellschaftliche Beziehungen ausschlaggebend für ein glückliches Leben sind.
Interaktionen mit anderen Menschen beflügeln unsere mentale Beweglichkeit und bewirken im Gehirn die Ausschüttung des Hormons Oxytocin, welches vielerlei positive Auswirkungen auf unseren Körper hat: es kann den Blutdruck und den Kortisolspiegel verringern, zu verbesserter Wundheilung führen und das Stresserleben mindern. Sogar einen positiven Einfluss auf das Körpergewicht und die Cholesterinwerte wurde festgestellt.
Gerade in Zeiten von Corona ist das Pflegen von Beziehungen erschwert. Weiterhin können uns negative Nachrichten Angst machen, und diese Angst und damit verbundenen negativen Gedanken wiederum schwächen unser Immunsystem.
Auch hier müssen wir Kraft und Überwindung aufwenden, um unsere Gedanken weg von den angstmachenden Nachrichten aus der Welt zu lenken, hin zu schönen Aspekten der aktuellen Zeit. Zum Beispiel können wir uns daran erfreuen, dass es am Himmel ruhiger ist und weniger Flugzeuge die Luft verschmutzen. Oder die Ruhe im Wald geniessen und bewusst eine schöne Blume bestaunen.
Wenn Sie also glücklich sein möchten und bleiben wollen, dann vertiefen Sie Freundschaften und bauen Sie neue Beziehungen auf. Lenken Sie Ihre Gedanken auf Dinge, bei denen Sie eine stärkende Energie spüren, und verbringen Sie weniger Zeit mit Beschäftigungen und Nachrichten, die Sie schwächen.
Und auch wenn diese Art des Lebens etwas anstrengend ist, lohnt es sich allemal: Zufriedene Menschen leben sieben bis zehn Jahre länger als unzufriedene und gestresste Menschen.
Wenn Sie sich also das nächste Mal ab den ignoranten Jungen ärgern, lächeln Sie diese trotzdem freundlich an und freuen Sie sich an deren jugendlichen Übermut – und an Ihrer dadurch gewonnenen Zufriedenheit und Lebenszeit.
Barbara Studer ist Neuropsychologin und Dozentin. Sie leitet Synapso, die Fachstelle für Lernen und Gedächtnis der Universität Bern, welche regelmässig Workshops und Vorträge anbietet. Vor Kurzem hat sie die Plattform www.hirncoach.ch initiiert, welche älteren Personen kostenlos Anregungen für die tägliche Hirnfitness liefert. Via Homepage registrierten Personen werden alle 2 Wochen Übungen und Impulse zugeschickt.