So stellen sich Unternehmen auf ü50 ein

Kein Chef kann es sich leisten, auf Erfahrungen der 50plus zu verzichten. Warum die Silver Workers so wertvoll sind, schreibt B.Dobe auf «computerwoche.de».
So stellen sich Unternehmen auf ü50 ein
Auf die 50plus kann die Arbeitswelt gar nicht verzichten.

Heute arbeiten laut Bundesagentur für Arbeit knapp zwei Drittel der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren. Wenn die Jüngeren nicht mehr nachkommen und Frauen sich nach wie vor grossteils zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen, bleibt für den Fachkräftemangel nur eine Lösung: ältere Mitarbeiter länger im Unternehmen halten.  Neu ist die Entwicklung nicht: Heute arbeiten laut einem Bericht der Bundesagentur für Arbeitknapp zwei Drittel der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren. Und es werden immer mehr erwerbstätige Ältere: "Die deutlichsten Zuwächse waren in der Gruppe der 60- bis unter 65-Jährigen zu verzeichnen, hier hat sich die Erwerbsquote in den zehn Jahren von 2002 bis 2012 annähernd verdoppelt", heisst es im Bericht.

Jung ist Deutschland ohnehin schon nicht mehr: "Der durchschnittliche Arbeitnehmer in Deutschland ist schon jetzt 45 Jahre alt", sagt Susanne Glaser-Radtke, Geschäftsführerin der GIM Gruppe und Personalberaterin. "Der demographische Wandel ist noch nicht auf dem Höhepunkt angekommen. In sechs bis acht Jahren wird das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen bei etwa 50 Jahren liegen." Daher sei es umso wichtiger, dass sich die Unternehmen auf ältere Arbeitnehmer einstellten. "Der Markt muss sich verändern, weil die Unternehmen gar keine andere Chance haben", meint Glaser-Radtke. Auch andere Varianten, an Fachkräfte zu kommen, werden noch nicht voll ausgeschöpft: Zwar seien zum Beispiel Arbeitnehmer aus dem Ausland eine der Möglichkeiten, den Mangel zu beheben.

"Aber gezielte Kampagnen, im Ausland zu rekrutieren, sind noch kein Standard", erzählt die Expertin. "Die Forderung, sich gut in die Organisation einzubinden, Geschäftsprozesse zu verstehen und zu kommunizieren, setzt neben Englisch nach wie vor gute Deutschkenntnisse voraus, selbst in grossen Dax-Konzernen", betont sie. Die Sprachbarriere ist noch da - also müssen die Älteren ran. IT-Abteilungen haben erkannt, dass sie die Erfahrungen der Älteren nicht verfallen lassen sollte. "Die Vorurteile gegenüber Älteren sind weniger in den Fachbereichen zu finden, dafür aber häufiger bei den Personalverantwortlichen", erwähnt Susanne Glaser-Radtke. "Sie werden jedoch deutlich weniger." Das liege auch daran, dass es immer mehr Studien gibt, dass die heute 50-Jährigen so fit seien wie 40-Jährige. "Die Älteren sind flexibler, pragmatischer und mobiler als früher - und vor allem auch selbstbewusster", sagt die Personalberaterin. "Letztendlich hat ein 50-Jähriger noch ein Drittel seiner Lebensarbeitszeit vor sich."

Doch noch immer "graut" es einigen Unternehmen vor der Generation 50plus. Dabei hat sie für Firmen grosse Vorteile: "Die Kompetenz verliert sich ja nicht", führt Glaser-Radtke aus. "Das Spezialistenwissen kommt beim Kunden gut an. Gerade im Beratungsumfeld wird gerne auf Erfahrung gesetzt", weiss die Expertin. Ausserdem sitzt wahrscheinlich beim Kunden auch ein Best Ager auf der anderen Seite des Schreibtisches. "In der Beratung spielt das Alter keine allzu grosse Rolle - die Berater müssen zum Kunden und Projektteam passen und sich nahtlos einfügen", fügt Glaser-Radtke hinzu. Eher wird ein gewisses Alter als positiv angesehen.

Von einem Älteren profitiert das gesamte Team: So kann es von dessen Berufs- und Projekterfahrungen lernen, er bringt sein Know-How mit und ist zudem oft gut vernetzt: "Vielleicht kann er auch das eine oder andere Talent mit an Bord holen", meint die Personalberaterin. Gute Kontakte suchen Unternehmen schliesslich händeringend. Ein weiterer Vorteil der Generation 50plus: "Firmen wollen jemanden an Bord holen, der schnell einen ROI einbringt. Bis ein Berufseinsteiger alle Prozesse verinnerlicht hat, braucht es schon ein Jahr - da haben Ältere Vorteile", sagt Glaser-Radtke. Dass Absolventen den Älteren häufig den Job vor der Nase wegschnappen, sei gar nicht die Gefahr, meint sie.

"Ein erfahrener Projektmanager kann sofort loslegen." Hinzu kommt: Wenn ein IT-Berater von Montag bis Freitag beim Kunden ist, dann muss er selbstständig agieren. Das kann er nur mit einem grossen Erfahrungswissen und einem souveränen Standing. "Das bringen die Älteren mit und das wird sehr gut aufgenommen", weiss Glaser-Radtke. Sorgen, dass mit Älteren die Produktivität nicht aufrechterhalten werden könne, teilt sie nicht. "Konzerne setzen auch aus diesem Grund auf Altersgemischte Teams", erläutert Glaser-Radtke. Beide Seiten lernten voneinander und das werde von Jüngeren und Älteren gleichermassen als wertvoll angesehen.

"So sorgt der Know-How-Transfer für eine gewisse Nachhaltigkeit", sagt Glaser-Radtke. Die Aufgaben für die schnellen Finger zum Beispiel bei der App-Entwicklung sind eher bei der Generation Y anzusiedeln - aber der Mix ist wichtig. Vor sechs Jahren galt das noch als Experiment, heute ist es schon normal.

Die zusätzlichen Einsatzmöglichkeiten von Älteren sind für Firmen sehr wertvoll: "Sie können stärker als Qualitäts-Manager, Mentor oder interner Coach fungieren", sagt Glaser-Radtke. Oft absolvieren gerade Ältere zum Beispiel eine Zusatzausbildung als systemischer Coach. Die Generation 50plus hat eigene Ansprüche: "Sie wünschen sich neben flexibleren Arbeitszeiten und einer altersgerechten Arbeitsplatzgestaltung wie etwa ergonomischere Arbeitsplätze oder eine bessere Ausleuchtung der Büros", erklärt die Expertin. Bei der Jobsuche achteten die Älteren stärker auf Unternehmenskulturund -werte.

Ihnen sei zudem wichtig, dass ihre Seniorität wertgeschätzt wird und in ihr vorhandenes Wissen investiert werde, etwa in dem sie Weiterbildungen erhielten. In der Vergangenheit habe man bei Weiterbildungen eher die Jungen gefördert und die Alten aufs Abstellgeleis gestellt. Aber auch hier seien Veränderungen spürbar, meint die Personalberaterin.

Diese Haltung können sich die Älteren durchaus leisten: "Wir haben seit nahezu dreieinhalb Jahren in der IT einen typischen Arbeitnehmermarkt", sagt Glaser-Radtke. Die Kandidaten könnten oft zwischen drei bis vier Vertragsangeboten wählen, auch wenn sie schon älter sind. Wer über 50 ist und einen neuen Job sucht, hat zumindest in der IT noch Chancen, so die Erfahrung der Personalberaterin Glaser-Radtke: "Bis unter 60 kann man Kandidaten mit bestimmten Skills noch gut positionieren. Vor zwei Jahren habe ich eine Bewerberin als SAP Senior Consultant platziert, die bei der Bewerbung 58 Jahre alt war und bei Stellenantritt dann 59 Jahre.

Das Unternehmen hat sie noch während der Probezeit auf eine ARIS Weiterbildung geschickt und kurz danach als Teilprojektleiterin eingesetzt." Inzwischen spielt bei der Bewerbung nicht das Alter eine Rolle, sondern wie sich derjenige präsentiert. "Wenn sich ein 50 Jahre alter Bewerber geistig flexibel, dynamisch und pragmatisch präsentiert, kann er immer überzeugen", glaubt die Personalberaterin.

Trotzdem gibt es bei der Bewerbung einige Aspekte zu beachten: Von einem ausschliesslich chronologisch aufgebauten Lebenslauf rät Glaser-Radtke Älteren ab: "Sie sollten eher ein kurzes Qualifikationsprofil voranstellen, in dem steht, was sie als Unique Selling Point einbringen können und wollen." Arbeitslose ältere Experten treibt auch die Gehaltsfrage um. Die Personalkosten sind bei Älteren naturgemäss höher. Muss ein Silver Worker auf jeden Fall Gehaltseinbussen hinnehmen? "Nein, wenn sich ein Best Ager aktuell verändern möchte oder muss, zum Beispiel durch Insolvenz des Arbeitgebers, ist er oft bereit, nicht auf den letzten Euro zu gucken, wenn das Gesamtpaket stimmt", sagt die Personalberaterin.

Solange das Gehalt marktgerecht ist. Sind keine passenden Angebote vorhanden, gehen die Älteren keineswegs in Rente. Die Know-How-Träger machen sich eben selbstständig. Die Flexibilität und die freie Gestaltung von Arbeitseinsätzen macht eine solche Karriere für einige der Silver Workers attraktiv. "Ich hatte kürzlich einen 60-jährigen Kandidaten, der als Freiberufler in der IT als Strategie- und Managementberater tätig ist und der trotz eines lukrativen Vertragsangebotes sich gegen die Festanstellung und für die Freiberuflichkeit entschieden hat", erzählt Glaser-Radtke. Ganz problemfrei ist eine alternde Belegschaft natürlich nicht: "Wenn Positionen sehr langfristig besetzt sind, können die Jüngeren nicht so schnell eine Führungsposition erreichen", sagt sie.

Das kann mitunter zu Frust führen. Doch auch dafür gibt es Lösungen. Viele Unternehmen bieten inzwischen unterschiedliche Karrierepfade an: die Fachkarriere und die Führungskarriere. Eine weitere Möglichkeit wäre es, eine Doppelspitze oder ein Job-Sharing zu schaffen. Das wiederum wäre eine Lösung, um Altersteilzeit und mehr Zeit für Kinder oder "Elder Care" unter einen Hut zu bringen. "Gleichzeitig ist das eine Art Mentoring und nichts anderes, als sich intern einen Nachfolger aufzubauen. So schaffen Firmen gute Übergänge", sagt Glaser-Radtke. Denn auch der fitteste Best Ager wird irgendwann in den Ruhestand eintreten.

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